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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Herzen tragen. Escobar, der Geschäftsmann, glaubte, Ezequiel tue das hauptsächlich deswegen, um indirekt die Nachbarsmädchen aufzufordern, ähnliche apostolische Botschaften zu verkünden, wenn ihre Väter ihnen Süßigkeiten mitbrächten. Dann lachte er über seinen eigenen Witz und erklärte, er werde den Jungen zu seinem Geschäftspartner machen.
    Nicht weniger als die Süßigkeiten liebte Ezequiel die Musik, und ich bat Capitu, ihm doch auf dem Klavier die Melodie des schwarzen Cocada-Verkäufers aus der Rua de Matacavalos vorzuspiele n …
    «Ich weiß sie nicht meh r …»
    «Das kann nicht sein! Du erinnerst dich wirklich nicht mehr an den Schwarzen, der dort nachmittags immer Süßigkeiten verkaufte?»
    «Ich erinnere mich an einen Schwarzen, der Süßigkeiten verkaufte, aber ich weiß die Melodie nicht mehr.»
    «Nicht einmal den Text?»
    «Nein, nicht einmal den Text.»
    Die Leserin, die sich, falls sie das Buch aufmerksam gelesen hat, vielleicht noch an den Text erinnert, mag sich über diese ungeheure Vergesslichkeit wundern, zumal ihr selbst die Stimmen aus ihrer Kindheit und Jugend bestimmt noch gut in Erinnerung sind. Zwar mag die eine oder andere in Vergessenheit geraten sein, aber man kann schließlich nicht alles behalten. Das war auch Capitus Antwort, und ich fand keine Erwiderung darauf. Dann tat ich jedoch etwas, was sie nicht erwartet hatte. Ich kramte in meinen alten Papieren. Als ich nämlich in São Paulo studierte, hatte ich einen Musiklehrer gebeten, mir die Melodie des Schwarzen zu vertonen. Es war ein Leichtes für ihn gewesen (ich musste sie ihm nur aus dem Gedächtnis vorsingen). Diesen Zettel hatte ich aufgehoben, und den ging ich nun holen. Kurz darauf unterbrach ich, den Zettel in der Hand, die Romanze, die Capitu gerade spielte. Ich erklärte ihr die Sache, und sie spielte die sechzehn Noten.
    Capitu fand, die Melodie habe etwas ganz Besonderes, fast Liebliches. Sie erzählte unserem Sohn ihre Geschichte und sang und spielte sie ihm anschließend vor. Ezequiel nahm den Text zum Anlass, mich zu bitten, seinen Inhalt zu widerlegen, indem ich ihm ein wenig Geld gäbe.
    Er spielte den Doktor, den Soldaten, den Schauspieler und Tänzer. Einen Hausaltar schenkte ich ihm nie, dafür besaß er Holzpferde und Schwerter. Seine Leidenschaft galt den Bataillonen, die durch die Straßen zogen. So etwas begeistert alle Kinder, aber nicht alle Kinder machen solche Augen wie er. Ich habe nie ein Kind gesehen, das mit derart leidenschaftlicher Verzückung dem Vorbeimarschieren der Truppen und dem Rhythmus der Trommeln lauschte.
    «Schau mal, Papa! Schau!»
    «Ich sehe es, mein Kind!»
    «Schau mal den Kommandanten! Schau dir das Pferd des Kommandanten an! Und die Soldaten!»
    Eines Morgens formte er mit den Händen ein Horn und blies hinein. Daraufhin schenkte ich ihm eine kleine Blechtrompete. Ich kaufte ihm Zinnsoldaten und Drucke von Schlachten, die er lange betrachtete und auf denen er dann von mir die Artilleriegerätschaften, einen gefallenen Soldaten oder einen Kämpfer mit hoch erhobenem Schwert erklärt haben wollte. Seine ganz Liebe galt dem Soldaten mit dem erhobenen Schwert. Einmal fragte er mich ungeduldig (was für ein unschuldiges Alter!): «Aber Papa, warum sticht er nicht endlich zu?»
    «Aber Kind, er ist doch nur gemalt.»
    «Aber warum hat er sich denn bemalt?»
    Ich lachte über die Verwechslung und erklärte ihm, dass nicht der Soldat sich bemalt, sondern der Zeichner ihn gemalt habe. Daraufhin musste ich ihm erklären, was ein Zeichner und was ein Stich war. Kurzum, er hatte Capitus Neugier geerbt.
    Das sind die wichtigsten Kindheitsskizzen. Noch eine, und das Kapitel ist zu Ende. Einmal entdeckte er in Escobars Garten eine Katze mit einer Maus im Maul. Die Katze ließ ihre Beute nicht los, wusste aber auch nicht, wohin sie damit flüchten sollte. Ezequiel blieb ganz still stehen, ging in die Hocke und beobachtete sie. Als wir sahen, wie aufmerksam er war, fragten wir ihn aus der Ferne, was er gerade mache. Er bedeutete uns, still zu sein. Escobar vermutete: «Bestimmt beobachtet er eine Katze, die eine Maus gefangen hat. Im Haus wimmelt es nur so von Mäusen, es ist die Hölle. Lasst uns nachsehen, was er macht.»
    Capitu wollte ebenfalls wissen, was ihr Sohn tat, und ich schloss mich den beiden an. Es war wirklich eine Katze mit einer Maus, eine alltägliche Situation ohne größere Bedeutung. Besonders an der Situation war einzig, dass die Maus noch lebte und strampelte

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