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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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genauso bewegt wie Escoba r …»
    Capitu sah mich nachdenklich an und sagte schließlich, dass diese Angewohnheit ihres Sohnes, die ihr zuvor nicht aufgefallen sei, korrigiert werden müsse. Zwar mache er dies offenbar nur zum Spaß, zumal viele Erwachsene ja auch die Eigenheiten ihrer Mitmenschen imitierten, doch damit er nicht zu weit geh e …
    «Aber wir werden ihn deswegen nicht quälen. Es ist noch Zeit genug, das zu korrigieren.»
    «Ja, das stimmt. Wir werden sehen. Warst du nicht auch so, wenn du auf jemanden böse warst?»
    «Wenn ich auf jemanden böse war, ja. Das nennt man kindliche Rache.»
    «Ja, aber hier in unserem Haus möchte ich nicht, dass Leute nachgeahmt werden.»
    «Und, hast du mich damals gemocht?», fragte ich und tätschelte ihre Wange.
    Capitu antwortete mir mit einem sanften, leicht spöttischen Lächeln, einem Lächeln, das sich nicht beschreiben, sondern höchstens malen lässt. Anschließend streckte sie ihre Arme aus und schlang sie so anmutig um meine Schultern, dass sie wie ein Blumenkranz wirkten (das alte Bild!). Ich tat das gleiche mit den meinen und bedauerte, dass kein Bildhauer anwesend war, der unsere Pose hätte in Marmor meißeln können. Berühmt geworden wäre natürlich nur der Künstler. Gelingt einem Künstler eine Einzelstatue oder eine Gruppe gut, so interessiert nicht das Modell, sondern nur das Kunstwerk; das Kunstwerk bleibt bestehen. Aber uns wäre das gleichgültig gewesen; schließlich hätten wir gewusst, dass wir es waren.
    113
    Drittwidersprüche
    Dabei fällt mir ein, lieber Leser, dass du mich natürlich fragen wirst, ob ich, der ich stets so eifersüchtig gewesen, dies nicht auch weiterhin war, trotz des Sohnes und des fortgeschrittenen Alters. Jawohl, ich war weiterhin eifersüchtig. Und zwar derart eifersüchtig, dass die kleinste Geste, das winzigste Wort, jeder längere Blick mich beunruhigten. Oftmals genügte es schon, dass Capitu sich gleichgültig zeigte. Und irgendwann war ich auf alles und jeden eifersüchtig. Der Nachbar, der Partner beim Walzertanzen, jeder Mann, ob jung oder alt, erfüllte mich mit Schrecken oder Misstrauen. Capitu wollte gesehen werden, das war eindeutig, und das beste Mittel zur Erreichung dieses Ziels war (wie mir einmal eine Dame sagte), selbst zu schauen, und man kann nicht selbst schauen, ohne zu zeigen, dass man schaut.
    Die Dame, die mir dies sagte, hatte offenbar Gefallen an mir gefunden, und da ich ihre Zuneigung nicht erwiderte, wollte sie mir auf diese Weise ihre insistierenden Blicke erklären. Es gab weitere Blicke, die mich suchten, nicht viele, und ich werde dazu nichts schreiben, zumal ich meine späteren Abenteuer ja bereits gestanden habe; allerdings sollten die erst noch kommen. Damals trat ich an keine der Damen, und waren sie noch so hübsch, auch nur den winzigsten Teil der Liebe ab, die ich für Capitu empfand. Selbst meine eigene Mutter liebte ich nur halb so sehr. Capitu war für mich alles und noch viel mehr. Ich konnte nicht leben oder arbeiten, ohne an sie zu denken. Das Theater besuchten wir gemeinsam. Lediglich zweimal ging ich, wenn ich mich recht entsinne, ohne sie, einmal zu einer Benefizvorstellung für einen Schauspieler, das andere Mal zu einer Opernpremiere, zu der sie nicht mitwollte, weil sie krank war. Zugleich drängte sie mich aber zu gehen. Es war zu spät, um Escobar in die Loge einzuladen. Also machte ich mich alleine auf den Weg, war aber nach dem ersten Akt bereits wieder zu Hause. An der Korridortür traf ich auf Escobar.
    «Ich wollte mir dir reden», sagte er.
    Ich erklärte ihm, dass ich ins Theater gegangen, aber aus Sorge um die kranke Capitu früher zurückgekommen sei.
    «Was fehlt ihr denn?», fragte Escobar.
    «Sie klagte über Kopf- und Bauchschmerzen.»
    «Dann gehe ich wieder. Ich wollte mit dir über diese Sache mit den Widersprüchen spreche n …»
    Es ging um Drittwiderspruchsklagen; es sei in der Sache etwas Wichtiges passiert, und da er in der Stadt zu Abend gegessen habe, habe er nicht nach Hause fahren wollen, ohne mir davon zu berichten. Aber das werde er nun später tu n …
    «Nein, lass uns gleich darüber reden, komm mit hoch. Vielleicht geht es ihr bereits besser. Falls es schlimmer geworden ist, gehst du wieder.»
    Capitu ging es besser und eigentlich sogar gut. Sie gestand mir, in Wahrheit nur leichte Kopfschmerzen gehabt, diese aber etwas dramatisiert zu haben, damit ich ins Theater ginge und mich amüsierte. Sie wirkte nicht fröhlich, als sie

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