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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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vielleicht aber auch wegen der Maxime, die daraus gezogen und von den Kompilatoren in die Schulbücher eingefügt werden kann. Die Maxime besagt, dass wir unsere guten Taten nur schwerlich oder gar nie vergessen. Armer Barbier! Zwei Bärten verweigerte er an diesem Abend die Aufmerksamkeit, und dabei wären sie das Brot des nächsten Tages gewesen! Alles nur, um von einem Vorübergehenden gehört zu werden. Stell dir einmal vor, dieser wäre, statt fortzugehen wie ich, an der Tür geblieben und hätte mit seiner Frau angebandelt. Dann hätte er, ganz Bogen, ganz Fiedel, verzweifelt aufgespielt. Göttliche Kunst!
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    Weitere Ereignisse
    Ich stieg also, wie gesagt, geräuschlos die Außentreppe hinauf, drückte das Gittertor auf, das nur angelehnt war, und traf auf Base Justina und José Dias, die in dem ersten kleinen Salon Karten spielten. Capitu erhob sich vom Sofa und kam auf mich zu. Ihr Gesicht war nun ruhig und klar. Die anderen unterbrachen ihr Spiel, und wir sprachen über das Unglück und die Witwe. Capitu tadelte Escobars Unvorsichtigkeit und verbarg nicht, wie sehr der Schmerz der Freundin sie traurig stimmte. Ich fragte sie, warum sie diese Nacht nicht bei Sancha geblieben sei.
    «Sie hat schon so viele Leute um sich; trotzdem habe ich mich angeboten, aber sie wollte es nicht. Ich habe außerdem vorgeschlagen, sie solle ein paar Tage hier mit uns verbringen.»
    «Das wollte sie auch nicht?»
    «Nein.»
    «Aber der Anblick des Meeres jeden Morgen muss doch schmerzlich für sie sein», überlegte José Dias, «und ich weiß nicht, wie si e …»
    «Das geht vorüber. Alles im Leben geht vorüber, oder etwa nicht?», unterbrach Base Justina ihn.
    Während wir zu diesem Gedanken einen Wortwechsel begannen, verließ Capitu das Zimmer, um nachzusehen, ob unser Kind schlief. Sie ging am Spiegel vorüber und ordnete sich so ausgiebig das Haar, dass es affektiert gewirkt hätte, hätten wir nicht gewusst, wie sehr sie auf sich selbst achtete. Als sie wiederkam, waren ihre Augen gerötet. Sie sagte uns, beim Anblick des schlafenden Sohnes seien ihr Sanchas Töchterchen und der Kummer der Witwe wieder in den Sinn gekommen.
    Und ohne sich um die Besucher zu kümmern oder darauf zu achten, ob Bedienstete im Raum waren, umarmte sie mich und sagte, wenn sie mir wirklich wichtig sei, müsse ich zuerst an mein Leben denken. José Dias fand den Satz «allerliebst» und fragte Capitu, warum sie keine Gedichte verfasse. Ich versuchte, einen Scherz darüber zu machen, und so ging dieser Abend zu Ende.
    Am nächsten Tag bereute ich es, die Grabrede zerrissen zu haben, nicht etwa, weil ich sie hätte abdrucken lassen wollen, sondern weil es eine Erinnerung an den Verstorbenen war. Ich dachte daran, sie noch einmal niederzuschreiben, doch mir fielen nur vereinzelte Sätze ein, die aneinandergereiht keinen Sinn ergaben. Ich dachte auch daran, eine neue Rede zu verfassen, aber damit tat ich mich schwer, außerdem hätte es den Leuten, die mich auf dem Friedhof gehört hatten, auffallen können. Und für das Aufsammeln der auf die Straße geworfenen Papierschnitzel war es inzwischen zu spät. Sie waren bestimmt schon weggefegt worden.
    Also machte ich eine Bestandsaufnahme der Erinnerungsstücke, die mit Escobar verbunden waren: Bücher, ein bronzenes Tintenfass, ein Spazierstock mit Elfenbeingriff, ein Vogel, Capitus Album, zwei Landschaftsaufnahmen aus Paraná und anderes mehr. Auch er hatte solche Dinge von mir besessen. Wir hatten stets Andenken und Geschenke ausgetauscht, sei es zum Geburtstag, sei es ohne besonderen Anlass. Meine Augen wurden feuch t … Es kamen die Tageszeitungen: Sie brachten die Nachricht über das Unglück und Escobars Tod, über sein Studium und seine Geschäfte, seine persönlichen Qualitäten, seine Beliebtheit in der Handelswelt, und sie sprachen auch über die Hinterlassenschaften, über seine Frau und Tochter. Das alles war am Montag. Am Dienstag wurde das Testament eröffnet, das mich zum zweiten Testamentsvollstrecker ernannte, nach seiner Frau. Er hatte mir nichts hinterlassen, doch die Worte, die er in einem separaten Brief an mich gerichtet hatte, zeigten seine Freundschaft und Wertschätzung. Capitu weinte an diesem Tag sehr, fasste sich aber schnell wieder.
    Testament, Bestandsaufnahme, alles ging fast so schnell, wie ich es hier niederschreibe. Kurz darauf zog Sancha zu ihren Verwandten nach Paraná.
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    Für Dona Sancha
    Dona Sancha, ich bitte dich, dieses Buch nicht zu lesen, oder,

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