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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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versuchten sich die Überlebenden in den Ecken des Saales zu verbergen. Kaum jemand begriff, dass es sich um Ratten handelte, denn die Tiere sahen wie Dämonen aus, wie Wesen, die es eigentlich nur in der Fantasie geben durfte.
    Erst als sie von den Ratten zerfleischt wurden, eröffnete sich den Menschen die furchtbare Wahrheit. Nicht der Hunger, nicht die Krankheiten oder die Radioaktivität waren der Feind, der ihrem Leben ein Ende bereiten würde, sondern gigantische, von unvorstellbarer Mordlust beseelte Nagetiere. Die Überlebenden flüchteten hinter Tische und Stühle, aber die Ratten waren schneller. Ein älterer Mann war in die Hotelküche gelaufen, wo er sich in das Innere eines großen Backherdes zwängte. Er hatte nicht ahnen können, dass die Ratten dieses Versteck bereits besetzt hielten. Die Tiere fraßen ihn, während er mit den Fäusten gegen die Türen trommelte, die er selbst vor wenigen Sekunden so sorgfältig verriegelt hatte.
    Eine flüchtende Frau rannte in die Bar, wo die Toten lagen.
    Sie kroch über die verwesten Leichen und vermeinte die Knochenhände zu spüren, die ihre Wangen liebkosten. Sie überwand ihren Ekel und schob sich unter die kalten, schlüpfrigen Körper. Sie wartete. Sie hätte eine Chance gehabt, von den Ratten verschont zu bleiben, wären nicht andere Menschen ebenfalls in die Bar geflohen. Die schwarze Flut der Bestien ergoss sich in den Raum und stürzte sich auf die Überlebenden.
    Dann Stille.
    Die Frau verharrte regungslos in ihrem grausigen Versteck.
    Sie hatte Hoffnung, bis sie das Scharren hörte. Das Geräusch war sehr nah. Sie fühlte, wie die Ratten den Stapel der starren, stinkenden Leiber auseinanderschoben. Sie spürte, wie eine witternde, feuchte Schnauze über ihren Hals glitt.

21
    Sie kratzte sich die juckende Stelle an der Wange und hörte, wie die Mücke davonschwirrte. Mit einem Schlag war Kate hellwach. Sie starrte in die Landschaft und wunderte sich, warum der Nebel, der ihre Augen bedeckte, nicht verschwand.
    Sie brauchte einige Minuten, bis sie begriff, dass es zu regnen aufgehört hatte. Die Sonne hatte die Nässe in aufsteigenden Wasserdampf verwandelt.
    Es war ihnen gelungen, aus dem Bunker zu fliehen und den entsetzlichen Mutanten zu entrinnen. Sie hatten die Stadt, die ein einziges Trümmerfeld war, in strömenden Regen durchquert. Auf der Lichtung eines Parks hatten sie haltgemacht, um sich auszuruhen. Es war Nacht gewesen. Kate hatte sich in Culvers Arme gekuschelt und war eingeschlafen.
    Irgendwann in der Nacht hatte der Regen aufgehört. Und jetzt war Tag. Eine klebrige Hitze lastete auf dem verbrannten Grün; die Sonne war hinter einem Dunstschleier verborgen, ein blauer Kreis verriet ihren Stand.
    Kate warf einen Blick auf ihre Armbanduhr; elf Uhr zwanzig; sie hatten bis tief in den Tag hinein geschlafen.
    Culver lag neben ihr, dahingestreckt wie ein Toter.
    Vorsichtig zog sie ihren Arm unter seiner Schulter weg. Sie warf einen Blick in die Runde.
    Nur dreißig Schritte Sicht; treibender Nebel. Kate erschauderte.
    Der Park, in dem sie übernachtet hatten, war einst eine grüne Oase inmitten des Häusermeers gewesen. Hier hatten einmal Leute Tennis und Ball gespielt. Kinder waren lärmend zwischen den Büschen herumgelaufen. Aber ihr Lachen war verstummt. Jetzt war nur noch das Summen der Insektenschwärme zu hören, die von der feuchten Erde aufstiegen.
    Was Kate auffiel: Die Mücken waren ungewöhnlich groß.
    Hatte die Radioaktivität das Wachstum beschleunigt? Würden die Insekten die Nachfolge der Menschen auf der Erde antreten?
    Culver war aufgewacht. Er gähnte. Kate wandte sich zu ihm.
    Sie sah, wie er die Augen öffnete. Seine erste Reaktion war Angst. Sie neigte sich zu ihm und streichelte ihm die Schläfe.
    »Alles okay«, sagte sie sanft. »Kein Grund zur Panik.«
    Seine Verkrampfung löste sich. Er starrte in den weißen Himmel. »Es ist heiß.«
    »Tropisch.«
    »Hast du eine Idee, wo wir sind?«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass wir in Lincoln’s Inn Fields sind.«
    »Kenne ich. War ganz schön, ehe die Bäume verbrannten.«
    Er stützte sich auf, und sie sah die unausgesprochene Frage in seinen Augen.
    »Ich bin unverletzt«, sagte sie. »Ein paar Schrammen habe ich abbekommen, aber ich hab’s überlebt.«
    »Und die anderen?«
    »Strachan hat’s nicht aus dem Bunker geschafft.«
    Seine Erinnerung kehrte zurück, und das Bild war schmerzlich. »Strachan und Farraday und Bryce…«
    »Sie hatten keine Chance«, sagte Kate.

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