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anhaben.«
Ein gehetzter Ausdruck trat in das Gesicht des Mädchens.
»Wie sieht es über der Erde aus? Gibt es Überlebende?«
Er schwieg. Hätte er ihre Frage beantwortet, wäre der Wall, den er gegen seine Verzweiflung errichtet hatte, zusammengebrochen. Später, Culver. Das Problem
verdrängen. Nicht an die zerfetzten Leichen denken. Nicht an die Kinder denken, die von der Bombe in schwarze Haufen aus Asche verwandelt worden waren.
Tränen stiegen in ihm auf, sie kümmerten sich nicht um das Verbot, das er in Gedanken errichtet hatte. Culver und das Mädchen wechselten die Rollen. Jetzt war sie es, die ihn tröstete.
Wenig später betrat die Ärztin das kleine unterirdische Lazarett. Sie durchquerte den Raum. »Wie geht es Ihnen beiden? Haben Sie noch Schmerzen?«
Sie sahen sie an, als wäre sie ein Wesen aus der anderen Welt.
»Wie lange habe ich geschlafen?« fragte Culver.
»Ungefähr sechs Stunden«, sagte Clare Reynolds nach einem Blick auf ihre Armbanduhr. »Es ist jetzt sieben Uhr abends.«
Sie wandte sich zu dem Mädchen. »Und jetzt sagen Sie mir bitte, wie ist Ihr Befinden?«
»Ich glaube, ich stehe immer noch unter Schock«, kam die Antwort.
Culver fiel auf, dass die Ärztin noch mitgenommener aussah als das Mädchen. Trotzdem gelang es ihr, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. »Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der Katastrophe.« Sie berührte das Mädchen an der Hand.
»Haben Sie noch Schmerzen?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Gut. Würden Sie mir sagen, wie Sie heißen?« fragte Dr.
Reynolds.
»Kate.«
»Und Ihr Familienname?«
»Garner.«
»Willkommen im Klub der Überlebenden, Kate Garner. Und Sie, Mr. Culver, wie fühlen Sie sich?«
»Wie man sich fühlt, wenn man von einer Ratte gebissen worden ist.« Culver setzte sich auf und zog die Beine an. »Was ist passiert, während ich geschlafen habe?«
»Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen«, sagte die Ärztin. »In wenigen Minuten beginnt eine Krisensitzung, sie findet im Speiseraum des Bunkers statt. Wir möchten, dass Sie daran teilnehmen. Alle Fragen, die Sie haben, werden dort beantwortet. Sind Sie soweit bei Kräften, dass Sie sich selbst anziehen können?«
Er bejahte.
Die Ärztin ging zu dem leeren Bett, wo seine Sachen lagen.
Sie warf ihm seine Lederjacke und seine Jeanshosen in den Schoß. Dann wandte sie sich zu dem blonden Mädchen. »Kate, würden Sie bitte herunterkommen und sich auf das Untersuchungsbett legen?«
Culver zog sich an. Als er fertig war, ging er zu der Ärztin und dem Mädchen. Er war noch so schwach, dass er ins Schwanken geriet.
»Nun, wie geht’s ihr?« fragte er.
»Keine ernsthaften Verletzungen.« Die Ärztin, die auf der Bettkante gesessen hatte, stand auf. Sie bedachte das Mädchen mit einem aufmunternden Blick. »Ich möchte, dass Sie an dem Meeting teilnehmen, Kate.« Und zu beiden: »Kommen Sie, die anderen warten.«
»Wieviel andere gibt es?« wollte Culver wissen. »Wer sind die Menschen, die sich mit uns im Bunker befinden?«
»Die meisten gehören dem technischen Personal an, das in der unterirdischen Telefonzentrale arbeitet. Außerdem gibt’s ein paar ROC’s, Soldaten vom Royal Observer Corps, und ein paar Beamte vom Zivilschutz. Wenn alle den Anweisungen gefolgt wären und sich beim ersten Alarm in den geheimen Bunker begeben hätten, wären wir über hundert.« Sie zuckte die Schultern. »Aber solche Einsatzpläne funktionierten nur in der Theorie. Wenn die ganze Bevölkerung in Panik gerät, helfen auch die schönsten Vorsichtsmaßnahmen nichts mehr.
Wir sind knapp vierzig Personen.«
Die Ärztin ging voran. Sie verließen das Krankenzimmer. Ein hoher, weitläufiger Raum tat sich vor ihnen auf. Culver und das Mädchen waren so erstaunt, dass es ihnen die Sprache verschlug.
»Beeindruckend, nicht wahr?« fragte Frau Dr. Reynolds.
»Man braucht über eine Stunde, um den ganzen Komplex abzuschreiten. Ich möchte Sie nicht mit technischen Details langweilen, zumal ich von diesen Dingen wenig Ahnung habe, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir hier über ein eigenes Elektrizitätswerk und zwei große Notaggregate verfügen. Es gibt einen artesischen Brunnen und eine
Wasseraufbereitungsanlage, folglich werden wir keine Probleme haben, was das Wasser angeht. Da vorne links sind die Schalträume, das E-Werk liegt geradeaus. Außerdem gibt es eine Küche, einen großen Speiseraum, der für die Zusammenkünfte benutzt wird, und eine Reihe von Vorratsräumen und
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