Domfeuer
noch über den Segler staunten, führten die Treidler bereits ihre erschöpften Kaltblüter fort. Paulus hatte den Eindruck, dass Reiter und Pferde schnell wegwollten.
»He«, rief er einem der Treidler zu, »was ist das für ein Kahn?«
Der Mann wandte sich nur kurz um. »Ich weiß nichts darüber«, sagte er im Gehen. »Tut Euch einen Gefallen und meidet es.«
Dann verschwand er in Richtung des Trankgassentores.
Der Hafenmeister, der sich immer noch nicht beruhigt hatte, sprang von seinem Pferd und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Er erklomm die Bordwand des Schiffes und ging an Deck. Alle auf dem Uferdamm ahnten, dass er nicht nur nach der Fracht fragen wollte. Inzwischen trafen auch einige bewaffnete Männer ein. Wahrscheinlich hatte der Turmmeister des nahe gelegenen Frankenturms sie geschickt.
»Heda! Jemand an Bord?«, rief der Hafenmeister.
Als auf seinen Ruf niemand Antwort gab, sah er sich auf dem Schiff um. Das Vorder- und das Achterkastell hatten sein Interesse geweckt. Er bestieg die hintere Plattform über eine hölzerne Treppe und schritt neugierig umher. Die Bewaffneten folgten ihm an Deck.
»Ein Kriegsschiff, oder?«, fragte Paulus.
Barthel brummte. »Und was für eins. Vorn und achtern könnte man jeweils zwei Dutzend Bogenschützen aufstellen. Schon mal solche Aufbauten gesehen?«
»Nein«, sagte Matthias und nahm einen großzügig bemessenen Schluck aus seinem Krug. »Und ich bin auch nicht erpicht darauf, sie in Gebrauch zu sehen. Will jemand was zu trinken?«
Das Getuschel auf dem Kai verstummte mit einem Mal. Die Tür ins Achterkastell hatte sich geöffnet. Doch es trat niemand heraus. Der Hafenmeister stieg die Treppe wieder hinab und sah unsicher in den Raum hinein. Ein kurzer Wink, dann folgte ihm einer der Bewaffneten in die Kabine. Nur einen Augenblick später kam der Schwertträger schon wieder heraus und schloss die Tür hinter sich. Seine beschwichtigende Handbewegung zeigte, dass wohl alles in Ordnung war.
Obwohl der Hafenmeister lange in der Kabine blieb, harrten die Menschen auf dem Kai aus. Inzwischen war es dunkel geworden, doch zumindest das nahe Trankgassentor war noch geöffnet, denn aus ihm traten immer mehr Neugierige auf den Uferdamm hinaus. Die Zahl der bewaffneten Gewaltrichterdiener nahm ebenfalls zu, auch einige Männer aus der erzbischöflichen Truppe kamen, um sich das Kriegsschiff anzusehen. Seine Ankunft begann sich in der Stadt herumzusprechen. Mit der Neuigkeit verbreitete sich Unsicherheit. Die Menge wartete gespannt im Licht der Fackeln.
Irgendwann merkte Paulus, dass ihm das Warten gefiel. Und irgendwann merkte er auch, warum es ihm gefiel. Die Brüder waren vereint. Zwar nur in der Neugierde auf das Geheimnis des Schiffes, aber immerhin. Paulus lächelte. Es war ein Anfang.
»Was gibt’s denn da so dümmlich zu grinsen?«, fragte Matthias. Das Gruit ließ ihn ungehalten werden. »Wenn du mehr über diesen Kahn weißt als wir, solltest du deine Brüder nicht so auf die Folter spannen.«
»Nanu? Seit wann kommst du so schlecht mit Untätigkeit zurecht?«
»Ausnahmsweise muss ich Matthias mal zur Seite springen«, sagte Barthel. »Ich verspüre wenig Lust, noch viel länger hier herumzustehen. Langsam muss ich zu meiner Bärbel. Nun sag schon, weißt du etwas über das Schiff? Du arbeitest schließlich im Hafen. Vielleicht ist dir was zu Ohren gekommen.«
»Das Einzige, was mir gerade zu Ohren kommt, ist eure neue Eintracht. Nichts anderem galt mein Lächeln. So lange wie hier auf dem Kai habt ihr es seit Jahren nicht mehr miteinander ausgehalten. Und gerade habt ihr euch auch noch gegen mich verbrüdert.«
Barthel verdrehte die Augen. »Verbrüdert«, rief er Paulus zu. »Hier stehen gewiss an die hundert Menschen oder mehr, und nur weil sie wissen wollen, was auf diesem Schiff vor sich geht, müssen sie noch lange nicht allerbeste Freunde sein. Du bist unverbesserlich, Paulus.«
Die Tür im Achterkastell des Schiffes öffnete sich, wieder verstummten die Wartenden. Heraus trat jedoch nur der Hafenmeister, auf dem Gesicht trug er ein breites Lächeln und in der Hand eine Münze, die im Schein der Fackeln golden glänzte. Schnell war sie unter seinem Mantel verschwunden. Er rief einige Büttel und Torwächter zu sich, auch zwei Männer des Erzbischofs gingen an Bord und nahmen teil an dem kurzen Gespräch, in dem Köpfe geschüttelt, mit Fingern gedeutet und Augen aufgerissen wurden. Ein letztes Nicken aller, dann verließen die Männer das
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