Domfeuer
Das Mädchen hielt ihn fest und ging ihm an die Gurgel.
»Bist du des Wahnsinns? Gib mir den Gürtel, gib ihn sofort her!«, rief sie.
Paulus packte den Gürtel fester. Den gab er nicht her, auf keinen Fall. Jeder weitere Beutel, der daran hing, konnte ihn aus einer ähnlichen Zwickmühle befreien. Er verpasste der Hure einen Stoß, aber sie ließ sich nicht abschütteln. Sie krallte sich mit beiden Händen an dem Gürtel fest, sprang Paulus an und schlang ihre Beine um seine Hüfte.
»Lass los!«, schrie Paulus.
Das Mädchen brüllte ebenfalls etwas, das im Lärm unterging, aber ihm wohl auch »Lass los!« bedeuten sollte.
Die Kleine klammerte sich an ihn wie eine Katze, die fürchtete, vom Baum zu fallen. Da öffnete sich eine weitere Kammer. In der Tür erschien ein hageres, bleiches Männlein, splitternackt und auf zitternden Beinen. Der Kerl blickte drein, als hätte er Wimpern aus Blei, die ihm die Lider herabzogen.
»Was … was ist hier los?«, lallte er. »Wo ist mein Schätzchen?«
Der Blick des Mannes wanderte hin und her, von Paulus zu dem Mädchen und dann zu den beiden Männern, die Münzen vom Boden klaubten, und schließlich zum Gürtel, um den sich Paulus und das Mädchen balgten. Je mehr der Hänfling sah, desto weiter riss er die Augen auf.
»Hilfe! Haltet den Dieb!«, rief er und versuchte, seine Nacktheit notdürftig mit den Händen zu bedecken. »Zu Hilfe! Mein Gold, mein Geld! So helft mir doch!«
Das Mädchen entließ Paulus aus der Umklammerung und schob ihn den Gang entlang, tiefer in das Haus hinein. Den Gürtel steckte er sich hastig ins Hemd.
»Da lang, schnell«, sagte sie.
Keinen Augenblick zu früh. Dunkles Hundegebell drang die Stiege hoch.
Wernher riss der Geduldsfaden. Seiner alten Knochen wegen hatte er die steile Stiege gescheut. Nun aber wollte er wissen, warum er von den beiden Knechten nichts mehr hörte, dafür aber mehrere andere Menschen im Obergeschoss durcheinanderbrüllten. Mit einem Wink schickte er weitere Männer und Hunde nach oben und folgte ihnen die schwankende Stiege hoch. Heil oben angekommen, streckte er erleichtert die schmerzenden Beine durch. Seine Männer schauten betreten drein und mieden seinen Blick. Sie sahen nicht so aus, als habe ihr vorrangigstes Bemühen darin gelegen, den Mörder ihres Herrn zu suchen.
»Und?«
»Keiner da, Wernher«, erwiderte der Knecht, der als Erster ins Obergeschoss gegangen war.
»Keiner da?«, keifte ein Hering von einem Mann, der sich ein Tuch um die Hüfte geschlungen hatte. »Das Diebsgesindel ist den Gang entlang geflohen, und Eure Männer haben nichts Besseres zu tun, als sich mein Geld in die Taschen zu stecken.«
»Was ist geschehen?«
»Eine Hure hat mich bestohlen. Eure Männer haben sie mit einem Kerl davonkommen lassen und sich lieber nach einem Teil der Beute gebückt.«
»Gehören die beiden zusammen?«
»Das weiß ich nicht. Aber sie haben gemeinsam Fersengeld gegeben.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Wie er aussah? Wie er aussah?« Die Stimme des Herings erreichte eine unangenehm schrille Höhe. »Woher soll ich das wissen? So, wie Männer in einem dunklen Gang eben aussehen. Jetzt redet doch nicht ewig herum. Sie sind noch nicht lange fort.«
Wernher wandte sich den Knechten zu. »Wo sind Hubert und die anderen Hunde?«
In diesem Moment trat einer der Männer aus einer Kammer auf den Gang. In der Hand hielt er einen blutdurchtränkten Fetzen Stoff. Die Hunde folgten ihm winselnd.
»Sie sind hier, und sie haben das gefunden.« Der Mann drehte sich zur Kammer um. »Komm raus!«
Eine alte Hure erschien ebenfalls im Gang. Ängstlich blickte sie zu den Hunden hinab.
»Wer bist du, was machst du hier?« Wernher betrachtete ihre entblößte Scham und wunderte sich, dass eine Frau in diesem Alter noch in einem Hurenhaus zu Werke ging.
»Was geht’s dich an, du klappriges Gestell?«
»Es geht mich etwas an, weil dieses Blut aus dem Leib meines Herrn geflossen ist.«
Wernher riss dem Knecht das Hemd aus der Hand und warf es der Hure zu, die es unwillkürlich auffing, aber sogleich vor ihre Füße fallen ließ. Sofort bedrängten sie die Bluthunde.
»Himmel, ruft diese Bestien zurück!«
Wernher nahm Huberts Leine und zog ihn zu sich. Die anderen Hunde ließen auf seinen Pfiff hin von der Frau ab. »Nun?«, fragte Wernher, »wie kommt das Hemd in deine Kammer?«
»Na, wie wohl? Auf dem Körper eines Freiers.«
»Wie heißt er?«
Nun wurde es dem dürren Kerl zu bunt. Mit hochrotem Kopf
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