Domfeuer
Ruhe.«
Unwillkürlich wanderte sein Blick zum Geldversteck. Seine Mutter hatte ihm gegenüber nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie ihr Erspartes in eine Ritze zwischen Balken und Decke quetschte. Wohl aber machte sie ein Geheimnis daraus, wie viel Geld in dem Spalt Platz fand. Sie tat so, als könne man damit einen ganzen Hof erstehen.
»Ich weiß nicht, wie oft ich es dir schon gesagt habe – erst wenn ich den Löffel abgegeben habe, bekommst du alles. Weil du der bravste meiner missratenen Söhne bist. Das ist zwar kein Kunststück, aber das bist du nun mal. Daher weißt auch nur du von dem Versteck.«
»Ich brauche dein Geld nicht. Himmel, sei doch mal still. Ich muss nachdenken.«
Sie rückte ein Stück von ihm weg. »Gibst du mir jetzt etwa in meinen eigenen vier Wänden Befehle?«
Paulus sah seine Mutter an. Und endlich gab sie Ruhe. Aber nicht etwa, weil sie seiner Aufforderung Folge leistete, sondern weil es plötzlich seltsam leise im Hurenhaus geworden war. Sie lauschten in die Stille. Lärm und Musik aus dem Schankraum waren verstummt. Einen Augenblick lang herrschte völlige Ruhe. Dann brach ein Sturm aus Geschrei, Gepolter und Hundegebell los.
Paulus sprang auf und stürzte zur Tür hinaus. Es waren dieselben dunklen Hundestimmen, die er zuvor schon gehört hatte. Die Jäger waren ihm immer noch auf der Fährte.
Hubert, der Leithund, drang mit der Nase am Boden zielstrebig in den Schankraum ein. Männer und Huren stoben auseinander wie Hühner. Die Meute folgte bellend. Nur mühsam konnten die Hundeführer Schritt halten. Die Erregung der Hunde war auf Wernher übergesprungen. Die Gicht in seinen alten Knochen spürte er nicht mehr. Er gab Hubert mehr Leine, und der nutzte sie. Vom Geschrei in dem Hurenhaus ließ Hubert sich nicht stören und stürmte auf eine Stiege zu.
Doch bevor der Bluthund die erste Stufe nehmen konnte, stellte sich ihm ein Mann in den Weg. Henner, der Hurenwirt, hielt den Knüppel in der Hand, mit dem er aufmüpfige Gäste zur Vernunft zu bringen pflegte.
»In Gottes Namen, haltet sofort ein und sagt mir, was hier vorgeht!«
Wernher zog Hubert ein Stück zurück. »In Eurem Haus hält sich der Mörder meines Herrn versteckt. Ich rate Euch, beiseitezutreten, damit wir ihn endlich stellen können.«
»Ein Mörder? Davon weiß ich nichts. Ich weiß lediglich, dass Ihr unter meinem Dach nichts verloren habt. Es sei denn, Ihr seid ein Gewaltrichterdiener und habt das Recht, ein Verbrechen zu verfolgen. Seid Ihr ein Büttel?«
Henner richtete das dicke Ende seines Knüppels auf die Brust seines Gegenübers. Wernher ließ sich davon nicht beeindrucken. Hubert knurrte.
»Ich bin kein Büttel«, sagte Wernher. Er gebot dem Hund mit einem Stoß seines Knies, sich hinzulegen. »Aber ich werde Euch den allergrößten Ärger bereiten, wenn Ihr uns aufhaltet. Meine Hunde riechen, dass sich der Mörder über uns befindet. Lasst uns diese Kammern durchsuchen. Finden wir den Mann, werde ich Euch für Eure Hilfe danken. Haben sich meine Hunde getäuscht, stehe ich in Eurer Schuld.«
Henner grunzte. »In meiner Schuld? Seid Ihr noch ganz bei Trost? Wisst Ihr, was Ihr mir antut, wenn Ihr mein Haus auf den Kopf stellt? Ihr ruiniert mich, Ihr bringt mich um meinen guten Ruf. Was bringt es mir, wenn Ihr in meiner Schuld steht?«
Wernher hob die Augenbrauen. Die Herberge »Zur schönen Frau« genoss nirgends einen guten Ruf. »Wie wird es wohl um Euren Leumund bestellt sein, wenn sich in der Stadt herumspricht, dass hier Mörder Unterschlupf finden? Nun beendet endlich dieses Spielchen und lasst uns vorbei.«
Henner ließ den Knüppel mehrmals leise klatschend in die offene linke Hand fallen. Er hoffte, seinen Gästen ausreichend Zeit verschafft zu haben, sich wenigstens ein paar Sachen überzuwerfen oder gar aus dem Staub zu machen. Und er hoffte inständig, dass im Haus »Zur schönen Frau« kein Mörder gefasst wurde. Das wäre nun wirklich schlecht fürs Geschäft. Dann trat er beiseite.
»Aber macht mir nicht zu viel Unordnung. Und lasst die Fackeln draußen, damit ihr mein Haus nicht abbrennt.«
Wernher nickte und gab einem von Mummerslochs Knechten einen Wink. Der sammelte die Fackeln ein und brachte sie vor die Tür. Dann leinte Wernher den Leithund ab.
Jenne fluchte, während sie in ihrer Kammer ein Obergewand aus der Truhe nahm. Was war das für ein Aufruhr? Wer nur brachte kläffende Hunde mit ins Hurenhaus? Wenn nicht bald Ruhe einkehrte, würde der dürre Tuchhändler,
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