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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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allmählich in ihrem Rücken anschwoll, war Ansporn genug.
    »Zwei Dinge müssen wir schaffen«, sagte das Mädchen, während es mit gerafftem Kleid die Straße entlanglief, »wir müssen dafür sorgen, dass du nicht weiter Düfte für die Hunde absonderst, und wir müssen raus aus der Stadt.«
    »Sehr pfiffig, wirklich«, sagte Paulus. »So weit war ich auch schon. Soll ich vielleicht über den Boden schweben und dann über die Stadtmauer fliegen?«
    »Kein Wunder, dass du dermaßen in Schwierigkeiten steckst. Besonders helle scheinst du nicht zu sein.«
    Paulus hätte sich am liebsten einem Tobsuchtsanfall hingegeben. Aber allmählich begannen seine Lungen zu brennen. Er musste seine Kräfte schonen. »Ach ja? Dann bin ich aber gespannt, ob du es schaffst, mir aus der Patsche zu helfen.«
    »Nichts leichter als das. Ich hatte mal einen Liebsten, der Rotgerber war.«
    Paulus musste unwillkürlich würgen. Die Lohe, mit der das Leder gegerbt wurde, bestand zu einem guten Teil aus Pisse und anderen wenig wohlriechenden Dingen.
    »Hör zu«, stieß er japsend hervor, »ich werde auf keinen Fall in Gerberlohe baden, nur um die Hunde abzuschütteln.«
    »Ich glaube«, rief die Kleine ihm über die Schulter zu, und am Klang ihrer Stimme erkannte Paulus, dass sie in vollem Lauf grinste, »ich werde dich noch ein wenig über meinen Plan im Unklaren lassen.«
    Das Mädchen flitzte so schnell durch die Nacht und die Stadt, dass Paulus kaum Schritt halten konnte. Sie waren in Richtung des Neumarkts unterwegs, aber er vermochte nicht zu sagen, ob sie den Platz, auf dem tagsüber der Viehmarkt gehalten wurde, bereits passiert hatten. In diesem Teil der Stadt kannte er sich nicht sonderlich gut aus. Und bei Dunkelheit war es für ihn doppelt schwer, sich zurechtzufinden. Immer wieder richtete er den Blick zum Himmel, um zu sehen, wo sich die Straßenflucht gegen die Sterne abzeichnete. Bald musste Paulus sich eingestehen, dass er die Orientierung verloren hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als dem Mädchen blind zu vertrauen.
    Die hohe Geschwindigkeit konnten sie nicht lange halten. Das Rennen und die Schwüle der Nacht trieben ihnen den Schweiß aus den Poren. Paulus war dankbar dafür, seinen Schritt etwas verlangsamen zu können. Seine Seite stach bereits, obwohl er unterwegs immer wieder Sankt Stephanus um Hilfe bat, der als Schutzheiliger in Sachen Seitenstechen galt.
    Das Gebell war inzwischen viel leiser geworden, zwar nicht außer Hörweite, aber immerhin. Sie mussten sich einen ordentlichen Vorsprung erarbeitet haben. Bald verriet ein beißender Geruch Paulus, dass sie sich im Viertel der Färber, Gerber und Walker befanden. Und nun wusste er auch wieder, weshalb er diese Gegend immer gemieden hatte.
    »Da wären wir«, sagte die Kleine.
    »Ich rieche es«, gab Paulus zurück und hielt sich die schmerzende Seite. »Und jetzt?«
    Das Mädchen deutete auf einen Gegenstand, der vor einem niedrigen Haus stand. »Da ist unsere Rettung.«
    Paulus kniff die Augen zusammen. Es war ein großer Waschzuber mit ovaler Form. Hatte das Mädchen den Verstand verloren? Dann sah er, dass sich hinter dem Häuschen eine mächtige Mauer erhob. Es musste ein Teil der alten Römermauer sein, die weit innerhalb der neuen Stadtmauer lag. Und nun verstand Paulus auch, wie die Kleine ihn aus der Stadt bringen wollte.
    Wernher quälte sich hinter Hubert her. Inzwischen hielt er es nicht mehr für einen guten Einfall, die Jagd auf den Mörder seines Herrn selbst anzuführen. Er war zu alt, zu gebrechlich, schlicht zu langsam. Hubert zerrte ständig an der Leine, und auch die anderen Hunde waren in ihrem Jagdfieber kaum zu bremsen. Wernher musste sich eingestehen, dass er der Meute nur ein Klotz am Bein war. Enttäuscht gab er Huberts Leine in die Hand eines jungen Knechts.
    »Seht zu, dass ihr das Schwein fangt. Ob tot oder lebendig, ist mir gleich. Ich folge euch, so gut es geht.«
    Als hätten Hunde und Führer nur darauf gewartet, stürmten sie in die Nacht, einer unsichtbaren Fährte hinterher. Schweren Herzens sah Wernher ihnen nach und verlor sie in der Dunkelheit der engen Gasse schnell aus dem Blick. Er horchte auf das Gejaule und bereute es nun, sich im Hurenhaus auf die zeitraubende Befragung eingelassen zu haben. Vielleicht erwies sich die Verzögerung nun doch noch als folgenschwerer Fehler. Was, wenn es ihnen nicht gelang, den Mörder bis zum Sonnenaufgang und dem Öffnen der Stadttore zu stellen? Was, wenn der Kerl es schaffte,

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