Domfeuer
ein Pferd aufzutreiben? Immerhin schien er nun auch noch die Hilfe einer Hure zu haben.
Vielleicht hatte er den Mann unterschätzt. Vielleicht war es sogar seine Absicht, geradewegs ins Gerberviertel zu laufen. Der Gestank der Lohe würde die Bluthunde bei der Fährtensuche empfindlich stören. Blieben ihm die Hunde aber auf den Fersen, war die Jagd womöglich bald vorbei. Hinter dem Gerberviertel, jenseits der alten Römermauer, erstreckte sich ein wenig besiedeltes Gebiet mit vielen Baum- und Weingärten, mit Äckern und Wiesen bis hin zum Ring der neuen Stadtmauer. Viel freie Fläche, wenige Verstecke, wenig störende Gerüche. Dort gab es kein Entkommen vor den Hunden.
Wernher fiel zwar weiter zurück, aber er war auf dem richtigen Weg. Immer wieder kam er an offenen Fenstern vorbei, aus denen sich schlaftrunken Köpfe reckten, die wegen des Lärms lauthals nach den Hundeschlägern riefen.
Kurz vor der Römermauer hielt er inne. Dem Bellen nach zu urteilen, schloss er wieder zur Meute auf. Es musste etwas geschehen sein. Der Gedanke, dass seine Männer den Mörder gefasst haben könnten, verlieh Wernher Flügel. Er humpelte schneller und holte bald Hunde und Knechte ein. Sie standen gleich hinter der Römermauer vor dem Duffesbach.
»Was ist los?«, rief Wernher ihnen zu.
Der Knecht, dem er Hubert anvertraut hatte, kam ihm entgegen. »Wir haben ihn verloren. Er muss in den Bach gegangen sein. Die Hunde können keine Fährte mehr aufnehmen.«
Ja, er hatte den Mörder unterschätzt. Die Erkenntnis traf Wernher wie ein Faustschlag in die Magengrube.
»Wir bilden vier Trupps«, sagte er zähneknirschend. »Zwei gehen mit Hunden rechts und links des Ufers bachaufwärts und zwei bachabwärts. Irgendwo muss er ja wieder aus dem Wasser steigen.«
Der Zuber trieb träge auf dem Duffesbach, der sich wie ein schwarzes Band durch die schlafende Stadt wand. Häuser und Gärten zogen stumm an ihnen vorbei. Paulus hielt sich mit beiden Händen am Rand ihres Behelfsbootes fest und blickte zum Himmel auf. Es war eine sternenklare Nacht. Er schöpfte wieder Hoffnung. Das Bellen der Hunde, das ihnen wieder gefährlich nahe gekommen war, als sie den Bottich ins Wasser gezogen hatten, verhallte in der Ferne.
Der Duffesbach – auf diesen Einfall hätte er auch selbst kommen können. Um die Hunde abzuschütteln, gab es nur die Möglichkeit, ins Wasser zu gehen. In alten Zeiten hatte der Bach außerhalb der Stadt und vor der Römermauer gelegen. Inzwischen war Köln jedoch weit über sich hinausgewachsen und hatte den Duffesbach längst geschluckt. Am Bachtor nahm die Stadt ihn mit reinstem Quellwasser auf, durch das Filzengrabentor pinkelte sie ihn als braune Brühe in den Rhein. Die ungesunde Farbe erhielt der Duffesbach auf dem Weg durch die Stadt. Am Oberlauf wuschen die Leinenwäscher ihr Linnen, ein Stück weiter saßen die Rotgerber, die ihre Felle mit Eichenlohe gerbten und dem Wasser eine rote Farbe gaben, wieder ein Stück weiter tauften die Blaugerber den Lauf auf den Namen Blaubach, weil sie ihre Tuche und auch den Bach mit Waid blau färbten. Es folgten Weißgerber und Filzer, die gleichermaßen ihr Schmutzwasser in den Duffesbach gaben. Früher hatte man noch aus dem Wasserlauf trinken können, heute taten das nicht einmal mehr die Schweine.
»Keine schlechte Idee«, sagte Paulus und sah das Mädchen an, das ihm gegenübersaß.
»Ich weiß.«
»Und wie geht es weiter?«
»Wir lassen uns bis zur Mündung in den Rhein treiben, dann noch ein wenig rheinabwärts …«
»Wie denn?«, fuhr Paulus dazwischen. »Der Bach fließt unterirdisch durch das Filzengrabentor. Und das Tor selbst ist geschlossen. Wie wollen wir da rauskommen?«
»Das lass meine Sorge sein. Also noch ein wenig rheinabwärts, wir steigen aus, du gibst mir mein Geld, und dann gehen wir getrennte Wege.«
Paulus schüttelte den Kopf. »Nichts da. Die Münzen behalte ich, bis ich mir sicher sein kann, dass ich meine Verfolger abgeschüttelt habe. Dann können wir gern darüber reden, ob du die rechtmäßige Besitzerin des Gürtels bist.«
Die Kleine zog einen Stock hervor und hielt ihn Paulus unter die Nase. Er hatte sich gewundert, als sie den Stecken mit in den Zuber genommen hatte, doch nun glaubte er ihre Absicht zu kennen. »Ist das dein Dank dafür, dass ich dir gerade die Haut gerettet habe?«, maulte sie. »Ich könnte jetzt genauso gut das Viertel zusammenschreien und dich vor allen Leuten aller möglichen Dinge bezichtigen. Das ist
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