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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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mein  Geld, hast du verstanden?«
    Paulus lehnte sich zurück. »Ich habe nur eines verstanden. Meine Verfolger sind auch deine Verfolger. Wir sind beide auf der Flucht. Ganz gleich, wer von uns erwischt wird, der andere wird mitgefangen – und uns erwartet beide kein angenehmes Schicksal.«
    Die Kleine verschränkte die Arme. »Das ist  mein  Geld«, beharrte sie.
    Paulus zuckte mit den Schultern. »Es soll meinetwegen wieder deines sein, wenn ich in Sicherheit bin. Das Geld zahle ich gern zurück als Preis für mein Leben.«
    Der Zuber begann sich sanft zu drehen. Unter anderen Umständen hätte er diese Bootsfahrt bestimmt genossen.
    »Achtung, Kopf einziehen!«, sagte das Mädchen plötzlich.
    Paulus kam der Aufforderung gerade noch rechtzeitig nach. Sie fuhren unter einer kleinen und niedrigen Holzbrücke durch, die aus kaum mehr als ein paar Bohlen bestand und ihnen für einen Atemzug den Blick zum Himmel nahm.
    »Heiliger Christophorus, das war knapp.« Paulus sah der Brücke nach, die hinter ihnen kleiner wurde.
    »Du stehst immer tiefer in meiner Schuld.«
    »Na ja, die Beule hätte ich wahrscheinlich überlebt.«
    »Vielleicht«, sagte das Mädchen und reckte den Kopf aus dem Zuber. »Wir sind gleich am Ende des Rotgerberbachs angekommen. Wenn es in den Blaubach geht, müssen wir aufpassen.«
    »Aufpassen? Worauf?«
    Die Kleine stieß den Stock in den Bachgrund und drückte den Zuber ein Stück näher ans linke Ufer. »Darauf, dass wir nicht unfreiwillig den Abzweig in den Perlengraben nehmen.«
    Paulus wandte den Kopf zum anderen Ufer. Rechter Hand sah er, wie sich die Sterne auf einem zweiten Bachlauf spiegelten, der vom Duffesbach abging. »Das hast du schon öfter gemacht, oder?«
    »Oft genug, um zu wissen, dass gleich ein weiterer Abfluss in Richtung des Georgsstiftes folgt.«
    »Du bist schon mehrmals mit einem Waschzuber den Duffesbach hinuntergefahren?«
    Sie kicherte. »Ich sagte doch, ich hatte mal einen Liebsten, der Rotgerber war. Es bereitete ihm großes Vergnügen, mit mir auf diesem Weg spätabends die Stadt zu verlassen. Tatsächlich glaube ich, dass er nur mit mir allein sein wollte.«
    Welch ein Früchtchen. Wie alt mochte sie sein? Kein Kind jedenfalls mehr. Er hatte schon öfter gehört, dass sich Liebende in der Nacht heimlich auf das Werthchen stahlen. Die kleine Insel, auf der Werftarbeiter tagsüber Schiffe ausbesserten, lag ein Stück rheinaufwärts vor der Stadt. Auch Paulus hatte sich dort schon mit seiner Angela getroffen, vor gar nicht allzu langer Zeit. Vom Ufer aus war es nur einen Steinwurf bis zu der Flussinsel.
    »Das Werthchen, das ist es!« Hinaus auf den Rhein, nur weg von der Stadt.
    Wieder kicherte die Kleine. »Dir sollte der Kopf nach anderen Dingen stehen.«
    »Hör auf mit dem Unsinn. Bring mich aus der Stadt, dann bring ich uns an einen sicheren Ort.«
    »Gibst du mir dann mein Geld?«
    Paulus rieb sich die Nase. »Sagen wir so: Wenn du mich  nicht  dorthin bringst, kriegst du auch das Geld nicht.«
    Das Mädchen gab ein abfälliges Geräusch von sich und lehnte sich wieder ein wenig aus dem Zuber, um mit dem Stock den Kurs zu berichtigen. Sie trieben am nächsten Abzweig vorbei. Paulus schätzte, dass sie sich bald in Höhe des Waidmarkts befanden. Er sah seine Vermutung bestätigt, als sie wenig später die gemauerte Brücke am Steinweg unterquerten. Sie näherten sich der Mündung.
    »Wie heißt du?«, fragte die Kleine.
    »Warum willst du das wissen?«
    Sie rutschte tiefer in den Zuber. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. »Immerhin verbringe ich die Nacht mit dir.«
    Paulus konnte das anzügliche Lächeln nicht sehen, aber er glaubte es zu hören. Er schüttelte den Kopf. Was für ein durchschaubares Gebaren. Mal war sie Kind, mal Frau, ganz so, wie es gerade erforderlich war. Nein, dieses Mal war sie nicht Frau. Sie war Hure. Sie versuchte, ihn zu betören, weil sie das Geld von ihm wollte. »Paulus. Und du?«
    »Jenne. Jenne Schönauge.«
    Als er den Namen hörte, fiel ihm ein, was er in der Dunkelheit ganz übersehen hatte. Das Mädchen trug eine Augenklappe.
    »Rutsch näher zu mir«, forderte sie ihn auf.
    »Bitte?«
    »Jetzt komm schon her.«
    Jenne packte seine Füße und zog ihn auf dem Hosenboden zu sich herüber. Er sank tiefer in den Zuber und stieß sich den Hinterkopf am Wannenrand.
    »He!«, rief Paulus. Diese Jenne hatte ganz schön viel Kraft in ihren Armen. Ehe er sich versah, hatte sie sich auf seine Oberschenkel gesetzt und

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