Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
Vom Netzwerk:
Oder er steuerte die Esche noch weiter, bis zur Mündung, heuerte auf dem nächstbesten Schiff an und fuhr zur See, weit weg von dem, was geschehen war. Aber ganz gleich, wofür er sich entschied, alles bedeutete, dass er sein altes Dasein aufgeben musste.
    Nein, das durfte nicht sein. Und zwar nicht nur, weil er an Angela hing. Er weigerte sich zu fliehen, weil er schlicht und ergreifend unschuldig war. Auch wenn es niemand sah – an ihm haftete der Makel, ein gesuchter Mörder zu sein, so wie der Geruch des Blutes, den die Hunde gewittert hatten, an ihm klebte. Er musste sich von diesem Makel reinwaschen.
    Es konnte auch nicht Gottes Wille sein, dass sein Leben diese Wendung nahm. Nicht jetzt, nicht nachdem er sich entschieden hatte, ein ehrbares und gerechtes Leben zu führen. Nein, es musste eine Prüfung sein, die der Herr ihm auferlegte, so wie sie Hiob hatte erdulden müssen. Der Prüfung würde Paulus sich stellen.
    Und er hatte noch eine Rechnung offen. Nox schuldete ihm für seine Dienste noch die versprochene zweite Münze. Die würde Paulus sich holen.
    Die lange Reise hatte Bruno ausgezehrt, ja beinahe aufgefressen, mit jeder Meile, mit jedem Tag ein wenig mehr, bis nur noch ein kraftloser Körper mit dünnen Ärmchen und Beinchen übrig geblieben war. Seine Enkelsöhne waren bereits in Sorge um sein Leben gewesen, so sehr war Bruno verfallen. Doch ein Abbruch der Fahrt war nicht in Frage gekommen, weder für ihn noch für seine Enkel. Für die beiden Jungen nicht, weil die Heimat weiter entfernt war als das Ziel und eine Rückkehr noch unvernünftiger als die Weiterreise. Für Bruno nicht, weil dies ohnehin die letzte Reise war, die er auf Erden tun wollte.
    Köln sehen.
    Köln, die heilige Stadt.
    Köln, das Rom des Nordens.
    Das Köln der Heiligen Drei Könige und der elftausend Jungfrauen.
    Das Köln, in dem so viele Gebeine von Heiligen verehrt wurden wie in keiner anderen Stadt der Christenheit außer Rom.
    Das verhasste Köln.
    Es kam Bruno wie ein schlechter Scherz vor, dass er den gleichen Namen trug wie der Erzbischof, der diese Stadt erst wirklich groß gemacht hatte. Vor dreihundert Jahren hatte Erzbischof Brun die wichtigsten kaiserlichen Privilegien ergattern können, die Köln auf Jahrhunderte zur mächtigsten Stadt im Reich machen sollten, darunter das Recht, die Stadt zu befestigen, Märkte abzuhalten, Münzen zu schlagen und Steuern zu erheben. Schwer war dies Brun nicht gefallen. Der großzügige Kaiser war sein Bruder gewesen.
    Wenigstens waren sie noch rechtzeitig nach Köln gekommen. Der Dom stand noch in seiner Gänze, es war noch nicht zu spät.
    »Bringt mich nach oben«, sagte Bruno mit kratziger Stimme.
    »Ach, Großvater, es ist stockdunkle Nacht. Von da oben kannst du ohnehin nicht mehr sehen als von hier …«
    »Tut es einfach!«
    Guido nahm ihn allein auf den Arm, während Otto die Leiter auf das Achterkastell hinaufstieg. Otto war der ältere der beiden Brüder und weitaus kräftiger gebaut. Er zog seinen Großvater hoch und trug ihn zur Brüstung.
    »Setz mich ab.«
    »Du bist noch zu schwach, Großvater.«
    Bruno versuchte, seinen Zorn im Zaum zu halten. Jede Aufregung kostete ihn nur noch mehr Kraft. Leider hatte die Familie nur diese beiden Hohlköpfe entbehren können. Nachgeborene, die man eigentlich ins Kloster hätten geben sollen. Weichlinge, Guido noch mehr als Otto. Wenigstens hatte er sie von seiner Sache überzeugen können. Ergeben und gewissenhaft würden sie wohl sein. Aber die wirklich wichtige Arbeit würden andere erledigen müssen.
    »Setz mich ab«, wiederholte Bruno mit Nachdruck.
    Otto stellte ihn auf die wackligen Beine. Bruno krallte sich an der Brüstung seines Schiffes fest und sah auf Köln hinaus. Der Dom malte einen schwarzen Umriss in die Nacht. Ringsherum funkelten die Sterne am Himmel wie Zuschauer, die gebannt hinab auf die Stadt blickten, die sich hinter einer mächtigen Mauer verschanzt hatte. Verschanzt vor ihm, dem hageren Greis. Mit einem wohligen Kribbeln kehrte das Leben in Brunos Glieder zurück.
    Da flog über die Bordwand ein schwarzes Etwas und landete fast geräuschlos auf dem Mitteldeck. Der Schreck jagte noch mehr Leben durch Brunos Körper. Otto griff nach seinem Schwert und stellte sich vor seinen Großvater, Guido hingegen, der immer noch unten auf Deck war, sprang zurück und schrie leise auf. Vor ihm richtete sich ein Mann auf.
    »Nur die Ruhe«, sagte Nox. »Ich bin zurück.«
    »Du gottverdammte Ausgeburt einer

Weitere Kostenlose Bücher