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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Loch nur noch – der Buttermarkt war schon kurz hinter dem Tor zu wittern, wobei es weniger die Butter war, deren Geruch entfleuchte, sondern vielmehr der Duft von Käse. Paulus knurrte der Magen. Wer auch immer den göttlichen Einfall gehabt hatte, Milch in Form von Käse haltbar zu machen, dem gebührte ein Platz im Himmelreich.
    Als sie auf den Buttermarkt kamen, sahen sie den Quell des sündigen Duftes – gesalzene, ungesalzene, harte und weiche Käse. Ihnen allen war eines gemein: In der Schwüle, die an diesem Morgen bereits schwer über der Stadt hing, entwickelten sie den Drang, davonzulaufen. Paulus’ Blick fiel auf den goldgelb fettglänzenden Anschnitt eines Käses, den ein Bauer aus dem Erftland mit einem unverschämten Grinsen anbot. Der Mann wusste genau um die Wirkung seiner Ware.
    »Würde es dir etwas ausmachen«, fragte Paulus, »wenn ich von deinem Geld ein Münzlein ausgebe?«
    Jenne blieb die Antwort schuldig. Sie eilte bereits zum Stand des Bauern und nahm die Verhandlungen auf.
    Das ungeborene Kind wölbte ihren Bauch, dass die Haut bereits zu reißen begann. Alles Einreiben mit Rüböl schien vergebens gewesen zu sein. Bärbel saß auf einem Fässchen mit Frischwasser neben dem Mühlrad und meinte platzen zu müssen.
    »Liebes Kind, wie lange noch? Du fällst deiner Mutter schon ganz schön zur Last und bist doch noch gar nicht auf der Welt.«
    Ihr Ungeborenes schlug vor allem morgens Purzelbäume in ihrem Leib, trat und schlug nach allen Seiten, weshalb Bärbel glaubte, das Kleine wolle nun endlich heraus. Manches Mal spielte das Kind auf ihren Eingeweiden geradezu wie auf einer Harfe, dann wie auf einer Trommel, zupfte hier und hämmerte dort. Die vier Säfte ihres Körpers waren völlig durcheinandergeraten. Sie litt unter fürchterlichem Sodbrennen und verspürte dauernd den Drang, sich zu entleeren. Und als würde die Last ihres Bauches nicht schon genügen, waren ihre ohnehin schon nicht gerade klein geratenen Brüste auf ein Maß angewachsen, das sie überaus unanständig fand. Wie gern würde sie wieder weniger beschwerlich durchs Leben gehen.
    Sie hob die Schultern. Alles Jammern half nichts, wohl aber die Arbeit, denn sie lenkte ein bisschen von den Unbilden ihrer Schwangerschaft ab. Bärbel nahm sich eine Mehlschaufel und hielt sie gegen das rotierende Mühlrad. Das Klappern übertönte das Rauschen des Wassers. Dieses seltsame Ritual wiederholte sich allmorgendlich. Es galt, den sabbernden Ulf zu wecken.
    Der alte Ulf war ein seltsamer Vogel. Sechs Brüder hatte er, allesamt älter als er, allesamt noch am Leben und allesamt taubstumm. Woran es seinen Brüdern gebrach, hatte Ulf mehr, als ihm recht war – einen Redeschwall, der selbst einen Prediger erblassen ließ. Meist versuchte er zwar, seinen Mund zu halten. Doch sobald er ihn öffnete, purzelten die Wörter heraus, als liefen sie um ihr Leben, und mit ihnen tropfte der Geifer aus seinen Mundwinkeln. Was Ulf von sich gab, waren im günstigsten Fall Sätze inmitten eines Haufens von überflüssigem Zeug und ergab im ungünstigsten überhaupt keinen Sinn. Oft waren Wendungen des Ave-Maria darunter, doch vermutlich einzig deshalb, weil die Verse dieses Gebets, das ihm ein Klosterschüler aus dem Lateinischen übersetzt hatte, seinen wild umherhüpfenden Gedanken ein wenig Halt zu geben vermochten.
    Niemand wusste, warum der Alte so anders war als seine Brüder, seine Mutter aber, die vor vielen Jahren schon gestorben war, hatte die Vermutung geäußert, Ulfs Schädel habe bei einem Sturz einen gehörigen Schaden genommen. Als kleiner Junge war er in einem harten Winter von der vereisten Hühnerleiter gefallen und hatte sich den Kopf auf dem steinhart gefrorenen Boden geschlagen. Dreiunddreißig Tage lang währte Ulfs Bewusstlosigkeit, und als er am vierunddreißigsten wider Erwarten doch noch aufgewacht war, hatte er seine Eltern mit Wellen wirrer Wortgebilde begrüßt.
    Mit den Jahren war Ulf beinahe so taub geworden wie seine Brüder. Eine Fähigkeit aber hatte er sich bewahrt. Ulf spürte. Er spürte alles, was ungewöhnlich war. Jede Schwingung und jedes Scheppern, jedes Klappern und Klimpern, jedes Rasseln und Rumpeln, jedes Flüstern und Wimmern, das nicht alltäglich war, schreckte ihn auf. Dieser Fertigkeit wegen befand Barthel ihn auch in hohem Alter noch für geeignet, als Knecht auf der Summus zu arbeiten, selbst wenn ihm manchmal die Kräfte fehlten, die schweren Mehlsäcke zu schleppen.
    Die Mühlenschiffe waren

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