Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
Vom Netzwerk:
einen Dreck. Bei mir bekommt derjenige mein Erbe, den allein ich für erbwürdig betrachte. Barthel braucht mein Geld nicht, denn sein Vater hat ihn schon gut versorgt. Und Paulus ist auf dem besten Weg, sich ein eigenes Leben einzurichten. Du bist zwar ein gottverdammter Tunichtgut, aber dir geht es dreckig, und wenigstens hast du das Herz am rechten Fleck. Da sind wir uns sehr ähnlich. Wenn ich mal nicht mehr bin, holst du dir den Beutel. Deine Brüder wissen nichts davon.«
    Matthias fuhr sich mit den Fingern durch den struppigen Bart, bis der Schorf herausrieselte. Er nickte. »Danke, Mutter.«
    »Aber dafür musst du mir versprechen, dass du dich mehr um deine alte Mutter kümmerst. Das Blut bindet dich nicht nur an deinen Bruder. Ich kann schließlich nicht ewig meine Beine breit machen und Kerlen in deinem Alter die –«
    »Mutter, ich will das gar nicht hören.«
    »Stell dich nicht so an. Würden sich meine Söhne anständig um mich kümmern, müsste ich das alles nicht tun. Dann könnte ich wie die Mütter von guten Christenmenschen meinen Lebensabend ohne Gram und Kümmernis begehen.«
    »Ist ja schon gut«, sagte Matthias. »Was ist nun, hast du Paulus gesehen? Ich mache mir ein wenig Sorgen um den Einfaltspinsel.«
    Irmel gab einen langen Seufzer von sich. »Ja, habe ich.«
    »Wann? Und wo?«
    »Er war hier. Heute Nacht. Aber nur kurz.«
    »Und? Wohin ist er?«
    »Was weiß ich? Soll er sich doch zum Teufel scheren, der Lümmel. Seinetwegen habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen. Wisst ihr Jungen denn nicht, dass sich eine Mutter Sorgen macht? Denkt doch auch mal an mich, wenn ihr wieder etwas ausheckt. Mein Herz schlägt in der Nacht Purzelbäume, wenn ich fürchten muss, dass ihr was ausgefressen habt.«
    Matthias blies die Backen auf. »So groß werden deine Sorgen wohl nicht sein, wenn du sie erst dann ansprichst, wenn ich dich nach Paulus frage.«
    »Was weißt du schon, wie sich eine Mutter fühlt? Sieh du erst mal zu, dass du selbst Kinder bekommst. Dann wist du schon noch merken, wovon ich rede. Hoffentlich werden sie dir besser gelingen als mir meine.«
    »Lass gut sein, Mutter. Was war denn nun mit Paulus, dass es dir den Schlaf geraubt hat?«
    »Ich will gar nicht wissen, was mit ihm war, sonst werde ich wahrscheinlich bis an mein Lebensende kein Auge mehr zumachen können.«
    »Jetzt sag schon.«
    »Blutüberströmt war er, und eine ganze Horde mit einer Hundemeute war ihm auf den Fersen«, sagte Irmel und sah, wie Matthias’ Kinnlade fiel. »Das ganze Haus haben sie auf den Kopf gestellt. Als wäre ein Sturm hier durchgefegt. Aber Paulus war schneller. Er war so schnell weg wie bei all seinen Besuchen bei seiner Mutter.«
    Matthias sprang auf. »Das sagst du mir erst jetzt? Und auch nur, weil ich danach frage? Bist du … bist du völlig …?«
    »Hüte deine Zunge, Matthias.«
    Matthias sagte gar nichts mehr, sondern stampfte zur Tür hinaus.
    Als Rodderick den rostigen Geißfuß in die Höhe reckte, johlte die Gruppe, die sich vor seiner hölzernen Bühne versammelt hatte. Und als die Menschen sahen, wie der Mann, den Rodderick gerade auf einen schweren Eichenstuhl gefesselt hatte, sich wand und vergeblich an den Ledergurten riss, stieg die Vorfreude nur noch mehr.
    Gleich würde Blut fließen.
    In diesem Augenblick hielt Konstantin sich für den größten Narren der Welt. Die schiere Verzweiflung hatte ihn auf die Bühne des Zahnbrechers auf dem Heumarkt getrieben. Jetzt saß er da, die Arme und Beine auf diesem harten Stuhl festgeschnallt, und in seinem Mund steckte schmerzhaft ein Kieferspreizer. Ein weiterer Gurt über der Stirn fixierte seinen Schädel an der hohen Rückenlehne. Sein Kopf war nach hinten gezogen, Konstantin konnte die Menschen vor der Bühne, die sich an seinem Leid ergötzten, nicht sehen. Warum nur hatte er mit Rodderick kein Zeichen vereinbart, auf das hin die Behandlung sofort abgebrochen würde? Und warum nur hatte er seinen rot-schwarzen Surkot, seine Amtstracht, nicht vorher abgelegt? Nun gab es kein Zurück mehr.
    Wegen des Surkots war er für jedermann da unten als Büttel erkennbar. Es mochte wohl die Schadenfreude sein, die ungewohnt viel Publikum zu dieser frühen Stunde vor Roddericks Bühne gelockt hatte. Wann durfte man denn schon erleben, dass ein Büttel öffentlich gepeinigt wurde? Konstantin war zur Attraktion auf dem Jahrmarkt geworden.
    »Tretet herbei, tretet herbei, edles Volk von Köln, und sehet, wie ich, Rodderick, euren

Weitere Kostenlose Bücher