Domfeuer
bedauernswerten Büttel von seinem unbeschreiblichen Leid erlöse.«
Konstantin warf Rodderick einen bitterbösen Blick zu, doch der Zahnbrecher hatte nur Augen für seine Zuschauer, die sich in immer größerer Zahl vor der Bühne einfanden.
Dieser Pfuscher nutzte es auch noch weidlich aus, dass er hier wehrlos saß. Konstantin krallte sich an den Armlehnen fest. Verkehrte Welt. Sonst zählten solch zwielichtige Wandergesellen wie Rodderick zu seiner Kundschaft. Wie oft hatte er Zahnbrecher in Ketten legen lassen, die Zahnwürmer gar nicht aus dem Mund eines Verzweifelten gezogen hatten, sondern gewöhnliche Obstwürmer aus ihrer hohlen Hand? Und nun war er selbst derart verzweifelt, dass er sich auf diesen Stuhl geworfen hatte. Aber das Pochen in seinem Zahn musste ein Ende haben. Auch wenn es das Ende für seinen Zahn bedeutete.
Die Metallbügel des Kieferspreizers schmerzten in seinem Mund und die dämlichen Bemerkungen der Zuschauer in seinem Ohr. So ähnlich musste sich ein Dieb fühlen, dem gleich die Hand abgehackt würde. Fehlte nur noch, dass der Pöbel ihn mit faulem Obst bewarf. Zum Glück trugen die Bäume im April noch keine Früchte.
»Sehet diesen Geißfuß«, rief Rodderick in die Menge, hielt das Werkzeug hoch und legte es dann in ein Becken mit glühenden Kohlen. »Ihn muss ich erhitzen, da auch das Blut eures Büttels wegen des befallenen Zahns in heißer Wallung begriffen ist. Ginge ich mit einem kalten Geißfuß in seinem Fleisch zu Werke, stiege Dampf aus seinem Mund auf, der mich bei der Arbeit nur hinderte.«
Konstantin verdrehte die Augen. Davon war zuvor nicht die Rede gewesen. Ein letztes Mal versuchte er, seinen Protest zu formulieren, doch aus seinem aufgerissenen Schlund drang nur das Röcheln eines heiseren Esels.
Konstantin ergab sich in sein Schicksal. Er schloss die Augen. Um sich von dem abzulenken, was in den nächsten Augenblicken kommen musste, richtete er die Aufmerksamkeit auf das, was zu seinen Füßen gesprochen wurde. Bald nahm er die Fetzen eines Gesprächs auf, das sich zu seiner Überraschung gar nicht um ihn drehte und in das er sich daher nur zu gern vertiefte.
»Jetzt schneid schon ab«, sagte eine junge Frau. »Ich hab Hunger.«
»Geht nicht«, antwortete ein der Stimme nach wohl ähnlich junger Mann. »Das ist ja gar kein Messer.«
»Wie?«
»Das ist kein Messer. Ich krieg den Käse damit nicht geschnitten. Das ist ‘ne Stichwaffe. Spitz. Aber nicht scharf.«
»Und wieso wusstest du das vorher nicht?«
»Weil das die Waffe ist, mit der mein neuer Freund diesem Mummersloch …«
»Pst! Bist du des Wahnsinns?«
Konstantin riss die Augen auf. Es gab keinen Zweifel, worum sich das Gespräch drehte. Er versuchte den Mann und die Frau zu sehen, doch der Stirngurt drückte seinen Kopf so weit in den Nacken, dass er nur die gegenüberliegenden Kaufmannshäuser erblicken konnte und die Dächer einiger Marktbuden. Die beiden Gesuchten waren direkt vor seiner Nase, und er konnte sie noch nicht einmal sehen.
»Ist ja schon gut, ich sag ja schon nichts mehr.«
»Wie kommst du nur auf den Gedanken, mit diesem … diesem … Ding unseren Käse zu schneiden?«
»Hab nicht dran gedacht.«
»An so was denkt man doch.«
»Jetzt willst ausgerechnet du mir Gedankenlosigkeit vorwerfen? Darf ich dich an die Augenklappe erinnern? Wenn ich dich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte, würdest du jetzt noch damit herumlaufen.«
Konstantin wollte schreien, aber es röchelte wieder nur der alte Esel. Er riss an seinen Fesseln, doch vergebens. Der schwere Eichenstuhl schien wie festgenagelt und ruckelte nicht einmal.
»Lass uns verschwinden«, hörte er den jungen Mann sagen. »Ich hab in den letzten Stunden schon genug Blut gesehen.«
Konstantin spürte Schritte auf der leicht schwankenden Bühne. Rodderick trat in sein Gesichtsfeld. Mit Blinzeln und Röcheln versuchte er ihm klarzumachen, dass er losgebunden werden wollte. Er musste dieses Gespräch weiter belauschen. Nein, er musste den Mann und die Frau festhalten. Rodderick aber legte ihm nur die Hand auf die Schulter.
»Nur die Ruhe«, raunte der Zahnbrecher in Konstantins Ohr. »Gleich ist’s vorbei.«
Dann tauchte der rot glühende Geißfuß in seinem Gesichtsfeld auf, jedoch nur, um sogleich wieder zu verschwinden. In seinem weit geöffneten Mund.
Konstantins röchelnder Schrei begleitete ihn in die Ohnmacht.
Lisgen wünschte, sie hätte vier Brüste. Sie hatte zwar einen derart prallen Busen, dass sie
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