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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Konstantin seine Wange. In der Tat, der Druck war fort, das Pochen spürte er nur noch schwach. Die Gegenprobe erfolgte von innen – behutsam fuhr seine Zunge über den Unterkiefer auf der rechten Seite. Dort, wo ihn vorhin noch der zweite Backenzahn gepiesackt hatte, war ein fleischiges Nichts. Konstantin schmeckte Blut. Doch weniger, als er erwartet hätte. Irgendetwas fühlte sich fettig an in seinem Mund.
    »Lasst es die nächsten Stunden etwas ruhiger angehen«, sagte Rodderick, während er Konstantins Blut mit einem Lappen von seinem Werkzeug wischte. »Sonst bricht es wieder auf. In die Wunde habe ich einen Pfropfen Butter gepresst, um die Blutung zu stillen. Bald dürfte er sich ganz aufgelöst haben.«
    Ein Glücksgefühl überlagerte Konstantins Ärger über den Zahnbrecher. Er war eine seiner Sorgen los.
    Seine Sorgen. Er erinnerte sich. Die beiden Gesuchten hatten sich ihm zu Füßen unterhalten, und er hatte nichts tun können, weil Rodderick ihn in die Mangel genommen hatte. So entschied Konstantin, Rodderick zur Strafe doch ein wenig leiden zu lassen, obwohl der Zahnbrecher ihn wie versprochen von seinem Leiden erlöst hatte.
    »Weißt du, wie man mich nennt?« Mit einem raschen Griff hatte Konstantin Roddericks Ohr gepackt.
    »Nein«, sagte Rodderick. Er verzog das Gesicht zu einer Fratze und wand sich.
    »Man nennt mich Konstantin den Kneifer.« Konstantin drückte seinen Daumennagel, den er sich eigens zu diesem Zweck auf eine außerordentliche Länge hatte wachsen lassen, tief in das weiche Fleisch des Ohrläppchens, bis es blutete. Rodderick schrie auf. Er hing an Konstantins Daumen wie ein Lausbub nach einem missglückten Streich an der Hand seines strengen Vaters.
    Konstantin drückte noch einmal kräftig zu, dann ließ er Rodderick los. Der Zahnbrecher taumelte zurück, sein Blut spritzte auf die Bühne. Er griff nach einem Tuch und presste es auf sein Ohr.
    »Bist du des Wahnsinns, Büttel? Ist das der Dank für meine ehrliche Arbeit?«
    Konstantin sprang von der Bühne und wandte sich zu Rodderick um. »Ich hab dich noch nicht zu einem Schlitzohr gemacht, Zahnbrecher, aber du hast nun einen Vorgeschmack auf das, was dir blüht, wenn du nicht sogleich aus der Stadt verschwindest. Wenn ich heute meine nächste Runde über den Markt drehe, solltest du mitsamt deiner Bühne fort sein.«
    Konstantin ließ den jammernden Rodderick zurück, wohl wissend, dass der Mann sogleich seine Sachen zusammenpacken würde. Er richtete seine Gedanken wieder auf die Mordfälle. Wenn er das Gespräch, das eben zu seinen Füßen stattgefunden hatte, richtig auffasste, gab es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute lautete, der Junge und das Mädchen waren noch in der Stadt. Aber es gab nichts, woran er sie erkennen konnte. Das war die schlechte Nachricht: Das Mädchen trug gar keine Augenklappe mehr.
    »Du hättest es mir sagen sollen.«
    Paulus eilte an ihr vorbei. Jenne sprang von der Brüstung der Brücke über den Duffesbach, der sie in der Nacht aus der Stadt getragen hatte. Sie konnte kaum mit Paulus Schritt halten. Er war sauer, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Mit stampfenden Füßen ging er über den Steinweg, weiter in die Stadt hinein und geradewegs durch die Hochpforte, das südliche Tor der alten römischen Stadtbefestigung.
    »Ich hab es für besser gehalten, dich nicht einzuweihen«, sagte Jenne.
    »Wie schön, dass du deine eigenen Entscheidungen triffst«, entgegnete Paulus. »Darum geht es ja schließlich bei einem Bündnis, nicht wahr? Jeder denkt nur an sich selbst.«
    Er zwängte sich an einem Fuhrwerk vorbei. Der Zugochse fühlte sich auf dem Steinpflaster sichtlich unwohl und ließ sich weder durch die Peitsche des Kutschers noch durch dessen Gebrüll zu einem schnelleren Gang bewegen. Jenne folgte Paulus und hielt gebührenden Abstand zu dem Karren aus Sorge, der Ochse könnte durchgehen.
    »Ich habe auch an dich gedacht.«
    »An mich?«
    »Ja, an dich. Hätten Henners Männer mir bei Lisgen aufgelauert und hätten sie dabei zufällig dich geschnappt, wäre deine Geschichte wohl überzeugender, wenn du wirres Zeug geredet hättest und selbst überrascht gewesen wärest. Es sollte nicht gespielt wirken.«
    Paulus bog nach rechts in die Straße Hinter Sankt Marien ab. Sie hielten nun geradewegs auf die Kirche Sankt Maria im Kapitol zu. »Und du hättest Zeit genug gehabt, dich aus dem Staub zu machen, während Henners Häscher mich auf den Turm bringen. Schlaues Mädchen,

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