Domfeuer
es wirklich sehr eilig. Wo ist Jax?«
»Du willst ihn sprechen ?«
»Rede ich vielleicht Latein? Ja, Himmel, ich will ihn sprechen. Ich habe eine Botschaft für ihn.«
Eine Botschaft? Was für ein wunderlicher Kerl. Lisgen ging zu den Krabbelkindern, hob einen Jungen hoch und hielt ihn dem Fremden mit ausgestreckten Armen entgegen. Jax gluckste vor Vergnügen. Er war eines der wenigen Kinder, die in diesem Alter keine Scheu vor Fremden zeigten.
»Nun?« Lisgen sah ihren Besucher erwartungsvoll an. Auf seine Botschaft an den Knirps war sie sehr gespannt.
» Das ist Jax?«
Lisgen hätte nicht gedacht, dass die Augen eines Menschen eine solche Größe erreichen konnten. »Das ist Jax. Wen hast du denn erwartet?«
»Du bist eine Amme?«
Lisgen kicherte. »Mal sehen, dort sind zwei Säuglinge, dort hinten ist ein Kind und hier auf meinem Arm noch eines, und keines von den vieren ist von mir. Doch hier«, sagte Lisgen und hob mit ihrem freien Arm ihre Brüste hoch, »ist ein gut gefüllter Busen, an den sich mancher gerne schmiegt. Ja, ganz offensichtlich bin ich eine Amme.«
Der Fremde fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Heiliger Cosmas und heiliger Damian, warum tut ihr mir das an?«
»Bitte?« Lisgen wunderte sich nun doch sehr über den Fremden, der gerade die Schutzheiligen der Ammen angerufen hatte.
»Ach, vergiss einfach, was ich bis jetzt gesagt habe. Die Botschaft – oder besser ein Teil davon – dürfte dann wohl für dich sein.«
»Ich höre.«
»Jenne wird wohl erst in ein paar Tagen wieder vorbeischauen können. Sie ist im Augenblick sehr beschäftigt.« Der Mann sah den kleinen Jungen an. »Und dir soll ich sagen, dass Jenne dich sehr lieb hat. Und dass du anständig bleiben sollst, bis sie wieder da ist.«
Jax quiekte, als hätte er verstanden, was der Fremde ihm gesagt hatte. Der Mann hielt mit einem Mal zwei Münzen in der Hand. Jax versuchte, nach ihnen zu greifen.
»Die sind dann wohl für dich.«
Lisgen ließ die Münzen im tiefen Tal zwischen ihren Brüsten verschwinden. Dass Jenne ihr den kleinen Jax mal über Nacht und durchaus auch für ein paar Tage überließ, war nicht ungewöhnlich. Die beiden Münzen hingegen waren sehr wohl ungewöhnlich.
»Willst du nicht noch ein wenig bleiben?«, rief sie dem Mann hinterher, der bereits im Aufbruch begriffen war.
»Nein. Ich muss dringend jemandem den Hosenboden stramm ziehen.«
Als die Tür zufiel, seufzte Lisgen ein weiteres Mal. Den Hosenboden hätte er genauso gut ihr stramm ziehen können.
»Das war aber ein sehr netter Mann, findest du nicht, Jax?«
Jax schenkte ihren Worten keine Beachtung. Er strampelte auf ihren Armen, um wieder zurück auf den Boden zu seinem Spielkameraden zu gelangen.
Konstantin blinzelte in die Sonne, die sich bereits über die höchsten Häuser des Heumarkts erhoben hatte. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn. Die Hitze war in die Stadt zurückgekehrt. Es war laut um Konstantin, doch bei Weitem nicht so laut wie vor seiner Bewusstlosigkeit. Die Menge vor der Holzbühne hatte sich verlaufen und sich anderen Zugstücken auf dem Jahrmarkt zugewandt. Er richtete sich langsam auf. Neben sich nahm er einen Schatten wahr. Rodderick.
»Wie lange war ich ohnmächtig?«, fragte Konstantin.
»Lange genug, dass die Zuschauer sich schon wieder getrollt haben.«
Konstantin quälte sich aus dem Stuhl des Zahnbrechers und rieb sich die Handgelenke. Die Spuren der Fesseln waren noch deutlich zu sehen. Rodderick grinste ihn frech an.
»Ich lasse Euch auf den Turm bringen, Rodderick.« Konstantin fühlte sich schwach, aber immer noch stark genug, sich mit diesem Pfuscher anzulegen.
»Das glaube ich nicht.«
»Ihr habt einem Büttel der Stadt Köln Gewalt angetan und Euch an seinem Leid ergötzt. Ihr habt mich vor den Massen zum Gespött gemacht. Und Ihr habt mich ausgenutzt, um für Euer zwielichtiges Geschäft Werbung zu betreiben.«
»Na, na, na«, sagte Rodderick. »Ihr habt keinen Grund, das Halsgericht einzuberufen. Die Gewalt, die Euch widerfahren ist, habt Ihr höchstselbst von mir verlangt.«
»Ich habe deutlich zu verstehen gegeben, dass Ihr beenden sollt, was Ihr gerade tatet.«
»Sehr wohl. Und ich habe es beendet, oder etwa nicht?«
»Ein Klugscheißer seid Ihr, Rodderick. Das wird Euch noch den Hals kosten.«
»Kommt endlich wieder zur Besinnung, Büttel. Ihr habt gerade eben Eure Hand gerieben, weil sie von der Fesselung schmerzte. Aber was ist mit Eurem Zahn?«
Vorsichtig betastete
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