Domfeuer
führte den Vorsitz am Hochgericht, und er war vom Erzbischof berufen.
»Ich muss mit dem Burggrafen reden.«
Theoderich Gir winkte ab. »Das habe ich schon getan.«
»Wie bitte?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich die Morde bei Euch angezeigt habe, weil ich Euch für den besten Mann halte. Dem hat er nicht widersprochen.«
»Habt Ihr ihm auch gesagt, wen Ihr verdächtigt?«
Gir nickte. »Ich habe es angedeutet.«
»Und?«
»Er hat zumindest nicht erkennen lassen, dass ihm eine Ermittlung in diese Richtung widerstreben würde.«
Konstantin verstand. Er war auf sich allein gestellt. Unterstützung durfte er sich nicht erhoffen. Hätte er sich doch nur nicht den Zahn ziehen lassen. Dann könnte er nun die Schmerzen als Vorwand nehmen und sich jammernd in sein Haus zurückziehen. Er entschied, erst einmal Zeit zu schinden.
»Eines verstehe ich nicht, Herr Theoderich«, sagte er, um das Gespräch zu verlängern. »Dietrich von der Mühlengasse ist meines Wissens nicht sonderlich gelitten in dieser ehrenwerten Gemeinschaft. Wie kommt es, dass er so kurz nach Aufhebung des über ihn verhängten Bannes wieder Geschäftspartner gefunden hat?«
»Seht Ihr, genau darum halte ich Euch für die rechte Wahl in diesem Fall«, sagte Gir mit einem Lächeln. »Ihr stellt stets die richtigen Fragen. Die Antwort seht Ihr dort drüben.«
Girs krumme Nase deutete auf einen Mann, der inmitten der größten Gruppe stand und sich angeregt unterhielt. Konstantin kannte auch ihn. Gerhard Overstolz war das Oberhaupt einer Familie, die schon seit Jahrzehnten vom Tuchhandel lebte. Die Overstolzen waren gemessen am Alter anderer Patrizierfamilien eine noch junge Sippe. Aber dennoch gehörte sie schon zu den mächtigsten Familien der Stadt.
»Nicht jedem schmeckt, dass die Overstolzen mit der Gewandschneiderei mehr Reichtum angehäuft haben als jeder andere Tuchhändler der Stadt. Die Weisen wiederum sind schon seit Langem mit den Overstolzen verfeindet. Was liegt näher, als sich mit dem Feind meines Feindes zu verbünden?«
»Also haben sich Mummersloch, Quatermart und Euer Vater mit Dietrich Weise zusammengetan.«
Theoderich Gir nickte. »So ist es.«
»Ihr scheint davon auszugehen, dass Dietrich etwas mit den Morden zu tun haben könnte. Was aber, wenn er nun selbst in Gefahr ist, weil er dieser Gruppe angehört hat? Was, wenn die Overstolzen hinter allem stecken?«
Gir schüttelte kurz den Kopf. »Auch wenn mir die Overstolzen ein Dorn im Auge sind – das glaube ich kaum.«
»Was macht Euch so sicher?«
»Weil außer den Partnern niemand von diesem Bündnis weiß. Auch die Overstolzen nicht.«
»Dennoch, nur weil einzig noch der Weise lebt, muss er nicht für den Tod der anderen verantwortlich sein.«
»Und wenn ich Euch sage, dass es zwischen Dietrich und den anderen zum Zerwürfnis gekommen ist?«
»Dann würde ich gern mehr darüber hören.«
Theoderich Gir führte Konstantin in einen Nebenraum und ließ einen Krug Wein bringen. Konstantin leerte den Becher und noch einen weiteren. Nicht nur sein gepeinigter Kiefer bedurfte der Betäubung.
»Habe ich Euer Wort, dass das, was ich Euch mitteilen werde, unter uns bleibt?«
»Das habt Ihr«, erwiderte Konstantin und schenkte sich erneut ein.
»Mummersloch, Quatermart und mein Vater waren vorausschauende Männer«, sagte Gir, nachdem er sich auf einer Holzbank niedergelassen hatte. »Noch während der Weise unter dem Bann stand, nahmen sie Verbindung mit ihm auf. Der Weise hat Fähigkeiten und Kenntnisse, über die mein Vater und seine Geschäftsfreunde nicht verfügten. Er spricht mehrere Sprachen, darunter Latein, und hat als Fernhändler weit mehr Kontakte in fremde Gegenden als jeder andere Kölner Kaufmann, von den Overstolzen vielleicht einmal abgesehen. Dietrich Weise wiederum konnte damals mit all seinen Verbindungen nichts anfangen, solange er geächtet war – der Zutritt zu seinem Hauptumschlagplatz war ihm verwehrt. So schlossen die vier ein Bündnis. Der Weise verschaffte seinen neuen Partnern Zugang zu seinen Einkaufsstätten, und umgekehrt verkauften sie Weises Waren in Köln.«
»Bitte?«
»Ihr habt schon richtig verstanden, Konstantin. Mein Vater, Mummersloch und Quatermart haben gegen den Bann verstoßen und einem Geächteten geholfen.«
»Einem Geächteten geholfen – das klingt beinahe wie eine gute Tat. Die drei werden aus diesem verbotenen Handel den größten Vorteil geschlagen haben. Tut bitte nicht so, als sei es den dreien um Nächstenliebe
Weitere Kostenlose Bücher