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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Stimme Brunos besser lauschen zu können.
    »Ich würde lieber den Dom besichtigen«, sagte Bruno.
    Gerhard nickte und versuchte zugleich, den Mann hinter dem Gitternetz auszumachen, doch mehr als einen Umriss bekam er nicht zu sehen. Dann trat er zum Dompropst und übermittelte ihm Brunos Bitte. Konrad von Büren begann wieder, sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
    »Da ist er!« Paulus stand zwar schon erhöht auf der Mauer, dennoch stellte er sich auch noch auf die Zehenspitzen, um in der Menge alles genau sehen zu können. Als der kahle Schädel im Sonnenlicht glänzte, bestand für ihn kein Zweifel mehr. Nox begleitete die Sänfte.
    »Kommt hoch, damit ihr ihn seht«, rief er und half nacheinander Jenne, Matthias und dessen Bettlerfreunden auf die Mauer. »Dort hinten, seht ihr, da steht er, da drüben an der Sänfte«, sagte Paulus.
    »Da stehen viele Leute.« Jenne schützte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne. »Beschreib ihn mal.«
    »Glatzkopf, Stiernacken, schwarze Kleidung. Keine hundert Schritt entfernt.«
    »Oh.« Jenne hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Was meinst du?«
    »Den möchte ich nicht zum Feind haben.«
    »Pech für dich. Da du jetzt auf meiner Seite stehst, ist er zwangsläufig dein Feind. Gewöhn dich an den Anblick.«
    Auch die drei Bettler reckten die Hälse. »Und was sollen wir jetzt machen?«, fragte einer, dessen rechtes Augenlid schlaff herabhing, weshalb er die linke Gesichtshälfte vorreckte, um besser sehen zu können.
    »Ihn im Auge behalten«, sagte Matthias. »Hängt euch an seine Fersen. Wann immer der Mann einen längeren Aufenthalt macht, in einem Gasthof vielleicht oder auf dem Schiff im Hafen, kommt einer von euch zu mir und macht Meldung.«
    »Und wo bist du?«
    »Ich mache es mir in der Nähe des Kriegsschiffes gemütlich. Irgendwo auf der Hafenmauer werde ich schon ein kuscheliges Plätzchen finden.«
    Paulus hörte das Gespräch nur mit halbem Ohr. Er betrachtete Nox und spürte, wie die Wut in ihm aufkochte. Dieser Mann wollte sein Leben zerstören. Dabei hatte er ihm nichts getan. In Paulus wuchs der Drang, von der Mauer zu springen und Nox zur Rede zu stellen.
    Nox behielt die Sänfte, die gerade zum Eingangsportal des Doms getragen wurde, und alles in ihrer unmittelbaren Umgebung genau im Blick. Mehr war nicht möglich. Seine Augen waren nicht mehr so gut wie früher, doch machte seine Erfahrung den Verlust an Sehkraft wieder wett. Er versuchte gar nicht erst, jede Einzelheit wahrzunehmen, er beschränkte sich auf das Wesentliche. Mit der Zeit war es ihm gelungen, ein Gespür für ungewöhnliche Bewegungen zu entwickeln. Rührte sich etwas selbst im äußersten Winkel seines Blickfelds, nahm er es in seinen Fokus. So wie jetzt auf der Mauer, die den Domhof einfriedete.
    Nox wunderte sich über die Gestalten, die dort auf der Mauerkrone herumkletterten, während doch jeder auf dem Platz versuchte, möglichst nahe an Otto und die Sänfte heranzukommen. Auch wenn auf diese Entfernung keine Gefahr drohte, riskierte er dennoch einen genaueren Blick. Und erstarrte.
    Schon wieder dieser Paulus. Ein Grinsen stahl sich auf Nox’ Gesicht. Der Junge hatte allen Respekt verdient. Und eine Klinge zwischen die Rippen.
    Nox löste sich von der Gruppe um die Sänfte und ging los.
    »Verflucht, er hat mich gesehen.«
    Barthel sah die Mauer hinauf. »Wer?«
    »Nox. Der Schlächter. Er hat mich gesehen. Er kommt auf uns zu.«
    Das Grüppchen auf der Mauer geriet in Unruhe.
    »Schlächter? Was für ein Schlächter?«, fragte der Bettler mit dem hängenden Lid.
    »Runter, schnell weg hier!«, rief Paulus und drängte zum Mauerrand.
    »Von einem Schlächter war nie die Rede«, stammelte der mit dem Hängelid und fuhr die Ellbogen aus.
    Barthel fuchtelte mit den Armen. »Kommt runter, wir machen uns dünne.«
    Die drei Bettler, Matthias, Jenne und Paulus wollten so schnell wie möglich runter von der Mauer, und zwar auf der vom Domhof und von Nox abgewandten Seite. Im Gedränge stolperte Jenne, taumelte vor, wieder zurück und drohte auf der falschen Seite hinabzustürzen. Paulus versuchte, sie festzuhalten. Doch stattdessen zog ihr Gewicht ihn mit. Bereits im Fallen wunderte sich Paulus, warum ausgerechnet ihm all das passieren musste. Und auf halber Strecke bis zum Boden sah er den grinsenden Nox, der mit langen Schritten direkt auf die Stelle zuging, wo Paulus und Jenne aufschlagen würden.
    Nox’ Hand fuhr in die Tasche seines Gewands und umfasste den Panzerbrecher.

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