Don Camillo und Peppone
nicht anzünden. Bevor er sich zu sprechen entschloß, vergingen noch einige Minuten. Dann fing er leise an:
«Don Camillo», sagte er, «jetzt haben wir es. Sie kommen morgen.»
«Wer?»
«Karabinieri und die Polizei mit Panzerwagen, um die Vertreibung Polinis durchzuführen.»
«Da kann man nichts machen», antwortete Don Camillo. «Das ist Gesetz.
Die Justiz hat entschieden, daß Polini im Unrecht ist, und Polini muß gehen.»
«Schöne Justiz!» rief Brusco durch zusammengepreßte Zähne. «Das heißt, das Volk zum Narren halten!»
«Man kommt nicht zu mir um drei Uhr nachts, um darüber zu diskutieren», bemerkte Don Camillo.
«Es handelt sich nicht darum», antwortete Brusco. «Es handelt sich vielmehr darum, daß Peppone gesagt hat, daß die Vertreibung nicht durchgeführt wird, und Sie wissen, wenn sich Peppone einmal in etwas verbohrt hat, schwitzt man kalt.»
Don Camillo stemmte die Hände in die Hüften.
«Mit der Farbe heraus, Brusco!»
«Na gut», flüsterte Brusco, «es ist folgendes: wenn man von der Seite der Stadt zuerst eine grüne und dann eine rote Rakete sieht, heißt das, daß die Panzerwagen von dort kommen, und dann fliegt ein Pfeiler der Brücke über den Fiumetto in die Luft. Wenn man eine grüne Rakete und dann eine rote Rakete von der anderen Seite der Landstraße sieht, fliegt die Holzbrücke über den Canalaccio in die Luft.»
Don Camillo faßte Brusco an der Brust.
«Ich und Peppone, wir haben sie vor zwei Stunden mit Sprengladung versehen. Peppone hält Wache bei der Zündung auf dem Damm des Fiumetto, und ich halte Wache bei der Zündung auf dem Damm des Canalaccio.»
«Du bleibst hier und rührst dich nicht, sonst breche ich dir alle Knochen!»
rief Don Camillo. «Zuerst aber begleitest du mich, und wir machen die Ladung unschädlich.»
«Schon gemacht», antwortete Brusco. «Ich bin der letzte Schuft, weil ich Peppone verraten habe, aber ich wäre noch ein größerer Schuft, wenn ich ihn nicht verraten hätte. Wenn er es erfährt, erschlägt er mich.»
«Er wird es nicht erfahren», antwortete Don Camillo. «Und jetzt bleib da und rühre dich nicht. Ich muß gehen, diesen Narren zu erledigen. Auch wenn ich ihm den Schädel dabei spalten muß.»
Brusco war besorgt.
«Und wie machen Sie das? Kaum erblickt er Sie, versteht er alles und läßt lieber alles gleich in die Luft fliegen, auch ohne Raketensignal. Und wie kommen Sie zum Damm? Sie müssen über die Brücke und hundert Meter vor der Brücke ist Bigio mit seiner Wache.»
«Ich gehe durch die Felder.»
«Er ist drüben auf dem Damm, und Sie müssen über den Fluß hinüber.»
«Gott wird mir helfen.»
Don Camillo warf einen schwarzen Mantel um, schwang sich über den Gartenzaun, begab sich auf die Felder und lief. Es war vier Uhr, und es dämmerte bereits. Er ging durch Weingärten, die Füße wurden ihm auf den Kleefeldern naß, aber er kam, ohne gesehen zu werden, bis unter den Damm des Fiumetto. Hundert Meter von der Brücke entfernt, auf dem gegenüberliegenden Damm, mußte Peppone auf der Lauer liegen.
Don Camillo hatte keinen Plan. Es ist schwer, sich unter solchen Umständen einen Plan zu machen. Man muß an Ort und Stelle sein, sehen, und sich dann entscheiden. Er kroch unter ein Gestrüpp, kletterte vorsichtig auf dem Damm hinauf und schaute hinüber. Peppone stand auf dem anderen Damm, fast genau gegenüber, und blickte zur Stadt. Neben ihm war der Zündungskasten mit erhobenem Hebel. Don Camillo begann einen Umgehungsplan zu ersinnen: das Wasser stand hoch und floß mit starkem Wellengang zur Brücke; er könnte aber hinter dem Damm hundert Meter aufwärtsgehen und eine gute Stelle finden, unbeobachtet hinüber zu schwimmen, wenn er auch dabei tauchen müßte. Die Brücke war nahe, achtzig oder neunzig Meter entfernt, von dieser Seite konnte man nichts machen.
Er hatte noch keine Zeit gehabt, sich in Bewegung zu setzen, als man einen Pfiff hörte und sich von der Seite der Stadt eine grüne Rakete erhob. In einigen Sekunden sollte die rote Rakete als Bestätigung aufsteigen.
«Jesu», flehte Don Camillo, «mache mich für zehn Sekunden zum Vogel und zum Fisch!»
Er sprang ins Wasser, und ob Gottvater, ob der Strom es war, der ihn trug, ob sein verzweifeltes Schwimmen, Tatsache ist, daß, als sich Peppone rufen hörte und sich umschaute, Don Camillo schon wie eine Auster am Brückenpfeiler klebte.
In diesem Augenblick erhob sich das rote Licht
«Don Camillo, weg von dort!» brüllte Peppone.
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