Don Camillo und Peppone
schließlich wurde ein Ausschuß gewählt, der ein Ultimatum an den Präfekten verfaßte: entweder wird die Durchführung des Gerichtsspruches aufgeschoben und das Verfahren eingestellt, oder es kommt zu einem Generalstreik.
Vierundzwanzig Stunden Überlegungsfrist.
Es kamen Leute aus der Stadt, dann ging der Ausschuß in die Stadt, es gab Telegramme und Telephonanrufe, die vierundzwanzig Stunden wurden auf achtundvierzig und dann auf sechsundneunzig verlängert, es wurde aber kein Steinchen aus dem Wege geräumt, und schließlich wurde der Generalstreik ausgerufen.
«Niemand darf arbeiten! Unter keinem Vorwand!» erklärte Peppone.
«Wenn man Generalstreik sagt, heißt das ausnahmslose Enthaltung von jeder Arbeit. Wachtrupps werden in Tätigkeit gesetzt und werden sofort eingreifen.»
«Und die Kühe?» sagte Brusco. «Man muß sie füttern und melken. Und wenn du sie melkst, kannst du die Milch nicht in den Graben schütten. Wir müssen die Käsereien arbeiten lassen.»
Peppone schnaubte.
«Das ist der Fluch der vorwiegend landwirtschaftlichen Gebiete!» rief er.
«In der Stadt ist ein Generalstreik im Nu da! Du sperrst die Fabriken und die Werkstätten und ... gute Nacht! Die Maschinen braucht man nicht zu melken.
Wenn der Generalstreik auch fünfzehn Tage dauert, so passiert doch nichts, man setzt sie wieder in Bewegung und die Maschinen laufen. Wenn wir hier bei uns aber eine Kuh krepieren lassen, setzt sie niemand mehr in Bewegung.
Wir haben jedenfalls das Glück, daß unsere Gemeinde an einer wichtigen Straße liegt, die wir absperren können, um so den Verkehr in der ganzen Provinz lahmzulegen. Wir könnten unserem Streik eine geradezu gesamtstaatliche Bedeutung verleihen, wenn wir etwa fünfzig Meter Eisenbahnschienen abschrauben und die Linie unterbrechen würden.»
Bigio zuckte mit den Achseln.
«Du schraubst sie ab und zwei Stunden später kommen drei Panzerwagen, und wenn sie wieder alles in Ordnung gebracht haben, schraubst du nichts mehr ab.»
Peppone erwiderte, daß er auf die Panzerwagen pfeife, wurde aber düster.
Er tröstete sich jedoch schnell.
«Bah, der Generalstreik wird schon eine große Bedeutung haben. Das Wichtigste ist, daß das Vertreibungsurteil nicht durchgeführt wird. Das ist die Basis. Wir werden Verteidigungstrupps aufstellen und, wenn nötig, schießen!»
Bigio fing an zu lachen.
«Wenn sie vertreiben wollen, werden sie es tun», sagte er. «Es geschieht so wie mit den Schienen, es kommen fünf Panzerwagen, und du bist erledigt.»
Peppone wurde noch düsterer.
«Schau auf deine Sperrposten, Stafetten und Meldetrupps auf den beiden Seiten der Landstraße. Smilzo und Patirai gehen mit Signalraketen. Schicke jemanden entlang der Dämme. Nicht sehr wichtig, denn wo es Wasser und Dämme gibt, gehen die Panzer nicht gerne hin. An den Rest denke ich.»
An den drei nächsten Tagen gab es Kundgebungen und Umzüge, es geschah aber nichts Besonderes. Die Sperre der Landstraße funktionierte herrlich: die Wagen kamen, blieben stehen, die Lenker fluchten, fuhren acht oder neun Kilometer zurück und machten einen Umweg über die Nebenstraßen.
Don Camillo steckte nicht einen Augenblick seine Nase hinaus, wußte aber alles, weil es eine richtige Mobilisierung der alten Weiblein und von früh bis abends im Pfarrhaus ein Hin und Her von Großmütterchen und Urgroßmütterchen gab. Die einzig wichtige Nachricht kam gegen Ende des dritten Tages und wurde von der Witwe Gipelli gebracht.
«Peppone hat eine große Kundgebung abgehalten, und ich habe alles gehört», erzählte die Frau. «Er war sehr finster, man sah sofort, daß etwas in der Luft lag. Er schrie wie ein Verdammter. Die Städtischen, sagte er, können machen, was sie wollen, die Vertreibung erfolgt nicht Das Volk, sagte er, wird um jeden Preis seine Rechte verteidigen.»
«Und was sagte das Volk?»
«Es waren lauter Rote, auch von den anderen Gemeinden, und sie schrien wie Verdammte.»
Don Camillo breitete die Arme aus.
«Gott erleuchte sie», seufzte er.
Gegen drei Uhr nachts wachte Don Camillo auf. Jemand warf von unten Steinchen gegen sein Fenster. Don Camillo kannte die Welt und hütete sich, sich offen zu zeigen. Er stieg vorsichtig in das Erdgeschoß, nicht mit leeren Händen, ging zu einem kleinen, von kletterndem Weinstock halb versteckten Fenster und sah in der klaren Nacht, wer die Steinchen warf. Er riegelte die Türe auf.
«Was ist los, Brusco?»
Brusco trat ein und sagte, man solle das Licht
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