Don Camillo und seine Herde
Züchtigung verlief daher geräuschlos und erträglich. Dank der Schlauheit Don Camillos merkte die gute Alte nichts von der Züchtigung, die sich auf dem Schädel des Ministranten entlud.
«Wenn unser Haus das letzte ist, dann ist auch der Rundgang nach den Nummern beendet, und Sie können daher hereinkommen, Hochwürden!» So sprach sie und ging zur Tür.
Don Camillo schickte die kleinen Ministranten in den Pfarrhof. Dann blickte er mit wütenden Augen Peppone an, und als er mit der Alten den Hausflur betrat, bedeutete er Peppone, draußen zu bleiben.
Als sie aber im Hausflur waren, schaute sich die Alte um und schrie:
«He, du verdammte Seele, worauf wartest du? Komm sofort herein!»
Peppone breitete die Arme aus, als wollte er sagen, daß es nicht seine Schuld wäre, und kam herein.
Don Camillo nahm den Weihwasserwedel mit der Behutsamkeit, die bei einer dicken Eisenstange angebracht gewesen wäre, und segnete den Hausflur, ging in die Küche, dann in das Speisezimmer, und zum Schluß mußte er in den ersten Stock hinaufsteigen, um die Schlafzimmer zu segnen. Er kam mit höchstem Kesseldruck wieder herunter; das alte Weiblein hatte aber einen klaren Kopf und ließ nicht nach.
«Und die Werkstatt? Man muß auch die Werkstatt segnen», sagte sie. «Nirgendwo ist Gottes Segen so notwendig wie dort, wo man arbeitet.»
Die Tür, die aus dem Haus in die Werkstatt führte, war im Hausflur, gegenüber der Küchentür.
«Großmutter, bereitet mir inzwischen ein großes Glas Limonade», sagte Don Camillo zu dem alten Weiblein. «Ihr seid genug die Stiegen hinauf- und hinabgelaufen, jetzt geh ich allein.»
«Worauf wartest du, du Unglücksmensch? Geh mit Hochwürden!» befahl die Alte Peppone.
Don Camillo und Peppone standen allein in der leeren und stillen Werkstatt.
«Sie weiß nichts, die arme Alte», erklärte Peppone. «Deshalb wollen wir nicht, daß sie herumgeht und den Tratsch hört. Sie hat keine Ahnung, wie die Dinge stehen. Wenn sie wüßte, daß ich zu jenen gehöre, die aus der Kirche ausgeschlossen sind, wäre das für sie ein schwerer Schlag.»
«Ich aber weiß es!» schrie Don Camillo. «Ich habe es gewußt. Und obwohl ich es gewußt habe, tat ich, was ich getan habe. Das ist eine Gotteslästerung!»
Peppone zuckte mit den Achseln. «Bitte, Hochwürden, nur keine großen Worte! Bringen wir die Sache nicht auf die Politik. Ich glaube nicht, daß der liebe Gott beleidigt ist, wenn sich ein Priester von Zeit zu Zeit wie ein Ehrenmann benimmt. Und außerdem, so etwas geschieht selten!»
Don Camillo erhob die Faust, um sie auf Peppones Schädel niedersausen zu lassen. Dann merkte er aber, daß die Faust noch immer den Weihwasserwedel hielt.
«Gott vergebe dir und erleuchte die Finsternis, die in diesem Holzkopf wohnt», sagte Don Camillo und verwandelte die drohende Geste in eine segnende Bewegung.
«Amen», murmelte Peppone und senkte das Haupt.
In der Küche wartete schon das alte Weiblein mit der fertigen Limonade.
«Wollen Sie sie gerne süß, Hochwürden?» erkundigte sie sich.
«Süß, sehr süß», antwortete Don Camillo. «Im Mund hab ich einen bitteren Geschmack, als ob ich Teer gefressen hätte.»
«Schlechte Verdauung», belehrte ihn Peppone schamlos.
Während Don Camillo die Limonade hinunterstürzte, stöberte die Alte in der Kredenz und holte ein Körbchen mit Eiern hervor.
«Nein, danke schön, es ist nicht notwendig!» wehrte lebhaft Don Camillo ab.
Peppone trat heran.
«Meine Hühner sind nicht Parteimitglieder», sagte er leise.
«Wenn Sie es nicht annehmen, beleidigen Sie mich», behauptete die Alte.
Don Camillo steckte sechs Eier in die Tasche und schritt entschieden zum Ausgang.
Vor dem Haustor hielt Peppones Frau Wache.
«Einen Augenblick!» sagte die Frau zu Don Camillo und hinderte ihn daran, die Schwelle zu überschreiten. Dann trat sie zurück. «Er ist schon vorbei. Es war Barchini zu Rad. Jetzt können Sie ruhig hinaus, es ist niemand zu sehen.»
«Niemand, außer Gott!» murmelte finster Don Camillo.
«Das macht nichts», sagte die Frau ganz natürlich. «Gott ist kein Schwätzer, er wird Sie nicht in Verlegenheit bringen.»
Als am Abend Don Camillo vor dem Hochaltar kniete, fragte ihn der gekreuzigte Christus, ob alles gutgegangen wäre. «Alles», antwortete Don Camillo.
«Und wenn alles so gut gegangen ist, wie es gehen sollte, warum bist du dann nicht zufrieden, Don Camillo?»
«Ich bin nicht zufrieden, weil ich über eine Sache zufrieden bin,
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