Don Camillo und seine Herde
die Hand zu fassen, die ihn am Halsband hielt, und versetzte ihr einen Biß.
Der Mann schrie auf und ließ den Hund los, der sich an der Mauer des Pfarrhofes niederließ und von dort knurrend seinen Feind beobachtete.
Don Camillo und Peppone hatten diese Szene offenbar mit offenem Mund verfolgt, und als sie begriffen hatten, was geschah, kamen sie nicht einmal dazu, den Mund zuzumachen. Der Stadtfrack, blaß wie eine Leiche, hatte die Doppelflinte aus dem Auto geholt und sie auf den Hund gerichtet.
«Dieses Schwein!» sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und löste einen Schuß.
Die Wand des Pfarrhofes war mit Blut befleckt. Nach einem herzzerreißenden Geheule lag Ful regungslos am Boden.
Der Stadtfrack hatte inzwischen seinen Aprilia bestiegen und sich davongemacht. Don Camillo merkte es nicht einmal, er merkte auch nicht, daß Peppone auf sein Motorrad gesprungen und ebenfalls davongefahren war.
Vor Ful kniend, dachte Don Camillo nur an Ful. Der Hund schaute ihn winselnd an, als ihm Don Camillo den Kopf streichelte. Dann leckte er ihm die Hand. Dann stand er auf und bellte fröhlich.
Nach etwa zwanzig Minuten kam Peppone zurück. Er war unter Hochdruck und ballte die Fäuste.
«Ich habe ihn beim Bahnwärterhaus von Fiumaccio eingeholt. Dort mußte er stehenbleiben, weil die Bahnschranken unten waren. Ich habe ihn aus seinem Aprilia geholt und ihm so viele Ohrfeigen gegeben, daß er zum Schluß ein Gesicht hatte, ein Gesicht, groß wie eine Wassermelone. Er versuchte, nach seinem Gewehr zu greifen. Ich habe es ihm aber auf seinem Rücken zerbrochen.»
Sie waren im Hausflur. Ein Freudengebell unterbrach sie.
«Ist er vielleicht nicht tot?» fragte Peppone.
«Er hat eine Streifwunde am Hinterteil erwischt», erklärte Don Camillo. «Ganz oberflächlich; in ein paar Tagen ist er wieder beisammen.»
Peppone strich sich mit seiner riesigen Hand über das Kinn und war etwas fassungslos.
«Mach dir nichts daraus», erklärte Don Camillo, «moralisch ist er doch ein Mörder. Als er auf den Hund schoß, hatte er die Absicht, ihn zu töten. Wenn auch der heilige Antonius den Schuß fehlgehen ließ, so mindert das um keinen Millimeter die Schurkerei seiner Absicht. Du hast sehr schlecht gehandelt, diesen Unglückseligen so geohrfeigt zu haben, daß er jetzt einen Kopf wie eine Wassermelone hat, weil Gewalt immer verdammenswert ist. Es sei denn...»
«Das ist es: Es sei denn...» sagte Peppone. «Dieser Kerl wird sich bestimmt nicht mehr in unserer Gegend sehen lassen, und Sie haben dabei den Hund gewonnen!»
«Den halben Hund», stellte Don Camillo ruhig fest, «moralisch nämlich schulde ich dir sechzehntausendfünfhundert Lire, die du mir zwar nicht geliehen hast, die du aber bereit warst, mir zu leihen. Zur Hälfte gehört also der Hund dir.»
Peppone kratzte sich am Hinterkopf.
«Donnerwetter», murmelte er, «es gibt doch Priester, die sich als Ehrenmänner benehmen und das Volk nicht betrügen!»
Don Camillo blickte ihn drohend an.
«Junger Mann, wenn wir jetzt mit Politik beginnen, schlage ich andere Töne an und behalte den ganzen Hund.»
«Als ob ich nichts gesagt hätte», rief Peppone, der nicht anders war, als er war, der aber schließlich auch Jäger war. Ein Jäger ist auch ein Mensch, und darum war es Peppone viel mehr daran gelegen, die Achtung für Ful, als die für Marx, Lenin und andere Brüder dieser Art zu bewahren. Ful erschien mit verbundenem Hinterteil im Hausflur und besiegelte mit einem munteren Gebell den Nichtangriffspakt.
Ein trauriger Sonntag
Bia Grolini betrat den Pfarrhof, zog einen Brief aus der Tasche und legte ihn Don Camillo vor.
Don Camillo war gerade im Begriff, unter der Aufsicht seines Hundes Fulmine, genannt Ful, die übliche Patronenration für das Jagdgewehr vorzubereiten, ergriff den Brief und warf, ehe er ihn zu lesen begann, einen fragenden Blick auf Bia Grolini.
«Die übliche Geschichte», erklärte Grolini. «Dieser Gauner zieht nicht!»
Don Camillo las den Brief. Die Leute von der Direktion des Konviktes waren mit dem Buben des Bia Grolini aber schon gar nicht zufrieden; sie verlangten, daß jemand von der Familie erscheine und von seiner Autorität Gebrauch mache.
«Es wird besser sein, Sie gehen», sagte Bia Grolini. «Wenn ich gehe, wäre die einzige Rede, die ich ihm halten könnte, die, daß ich ihm den Schädel einschlagen würde. Fahren Sie, Hochwürden, und sagen Sie ihm klipp und klar, wenn er sich nicht eines Besseren besinnt, jage ich
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