Don Camillo und seine Herde
der Nacht und auf einem Feldweg bestimmt niemanden zum Plaudern finden werde.
Das Fieber machte Don Camillo jetzt nicht mehr müde, sondern versetzte ihn in Aufregung wie noch nie. Er machte sich auf den Weg durch die Felder und kam durch den Obstgarten zur Kirche. Er rannte sozusagen mit dem Kopf gegen die Kirche, so dicht war der Nebel. Don Camillo hatte einen Schlüssel in der Tasche und trat durch das Turmpförtchen ein. Hinaus mußte er durch das große Tor, es konnte ihn aber niemand sehen.
Peppone hatte manchmal ausgezeichnete Einfälle. Als er sah, wie sich der Nebel herabsenkte, und daran dachte, daß Don Camillo jetzt mitten durch die Felder unter der Last seiner Sachen gehen müsse, kam er zu dem Schluß, daß er seinem Fahrgast bestimmt helfen würde, wenn er von Zeit zu Zeit die Hupe betätige.
Don Camillo kam, mit Hilfe der Hupe und des Fiebers; er rang nach Atem, als aber Peppone Anstalten machte, seinen Sitz zu verlassen, um ihm zu helfen, lehnte er ab.
«Ich brauche nichts; denk lieber daran, deine Kiste anzukurbeln, so daß wir wegfahren können, wenn ich es dir sage.»
Als er mit dem Aufladen fertig war, setzte sich Don Camillo neben Peppone und gab das Abfahrtszeichen. Etwa dreißig Kilometer begleitete sie der Nebel, und es waren dreißig schwere Kilometer, die andern vierzig legten sie aber wie im Flug zurück.
Als sie um zwei Uhr nachts bei der besagten Brücke waren, blieb Peppones Lastwagen vor der Einmündung des Maultierweges nach Monterana stehen.
Don Camillo lehnte auch beim Abladen jede Hilfe ab. Peppone hörte, wie er sich hinter dem Lastwagen zu schaffen machte, und als er ihn dann im Licht der Scheinwerfer erblickte, machte er große Augen.
Christus am Kreuz!
Don Camillo schritt mühsam auf dem Maultierweg einher, und als Peppone sah, wie er sich abmühte, sprang er vom Lastwagen ab und eilte ihm nach.
«Kann ich Ihnen helfen, Hochwürden?»
«Rühr mich nicht an!» schrie Don Camillo. «Gehe, und überlege es dir, bevor du etwas ausplauderst!»
«Gute Reise!» antwortete Peppone.
Und in der Nacht begann Don Camillos Kreuzweg.
Das Kruzifix war riesig, ganz aus Eiche. Christus aus hartem und festem Holz geschnitzt. Der Maultierweg war steil, die großen Steine naß und glitschig. Noch nie hatte Don Camillo eine solche Last auf seinen Schultern getragen. Seine Knochen knirschten, und nach einer halben Stunde war er gezwungen, das Kreuz nachzuschleifen, so wie unser Herr Christus auf dem Kalvarienberg. Und das Kreuz wurde immer schwerer und der Weg immer rauher, Don Camillo aber gab nicht nach.
Er glitt aus und fiel gegen einen spitzen Stein. Er spürte das Blut vom Knie herunterrinnen , blieb aber nicht stehen.
Ein Ast riß ihm den Hut vom Kopf und verletzte ihn an der Stirn, er blieb aber nicht stehen. Die Dornen zerkratzten sein Gesicht und rissen sein Priestergewand in Fetzen, Don Camillo aber stieg weiter. Und sein Gesicht berührte leicht das Antlitz des gekreuzigten Christus.
Er hörte eine Quelle sprudeln, blieb aber nicht stehen, um zu trinken, sondern stieg weiter. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden.
Vier Stunden brauchte er, bis er das Dorf erreichte. Die Kirche stand auf einer Anhöhe, und um dort hinzukommen, mußte man über einen Weg gehen, auf dem es zwar keine Steine, dafür um so mehr Schlamm gab. Niemand sah ihn und niemand konnte ihn sehen, weil die Leute noch in ihren Betten verkrochen waren. Jetzt hatte er keine Kraft mehr, nur die Verzweiflung hielt ihn noch aufrecht.
Die Verzweiflung, aus der die Hoffnung kommt.
Er stand in der leeren und verwahrlosten Kirche. Don Camillo war aber noch nicht fertig, weil er jetzt das schwere und nackte Kreuz vom Altar nahm und sein Kreuz in die eingemauerten Eisenklammern stecken mußte. Und es war ein titanischer Kampf, zum Schluß aber war der gekreuzigte Christus oben.
Nun warf sich Don Camillo auf den Boden, ohne Kraft und ohne mehr denken zu können. Die Glocke ertönte aber, und er stand schon wieder auf und lief in die Sakristei, um sich Gesicht und Hände zu waschen und sich für die Frühmesse herzurichten.
Er zündete selbst die Altarkerzen an, und es waren nur zwei Kerzlein, ihm schien es aber, als ob sie viel Licht verbreiteten.
In der Kirche waren nur zwei Personen, Don Camillo schien es aber, als ob er noch nie so viele Leute gesehen hätte, weil von den beiden Personen die eine die ihm vertraute Alte war, die nicht einmal wußte, wer sie war und wie sie hieß, und die andere — Peppone,
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