Don Fernando erbt Amerika
Antiimperialistischen Zellen alle anderen Briefe für falsch erklärten und gleichzeitig einen Irrtum berichtigten: Man habe nicht den Bürgermeister von Nürnberg, sondern den von Dinkelsbühl entführt.
Die PKK hätte auch einen Brief geschrieben, aber der müsse erst übersetzt werden. Nur von den Jusos habe man bisher nichts gehört, die Polizei sei gerade dabei, die Parteizentrale zu durchsuchen.
In diesem Augenblick klingelte es an der Tür.
Gilead ging öffnen. Christoph und Bébé hörten, wie zwei Männer in höchstem Erstaunen: »Du?« fragten und dann etwas, was sich verdächtig nach einem äußerst üblen Handgemenge anhörte. Christoph sah Bébé an. Bébé sah Christoph an. Dann standen sie auf und schlossen leise die Tür. Man soll Begrüßungen zwischen alten Freunden nicht stören, das wussten sie aus Erfahrung.
Eine Viertelstunde später hatten sich die Wogen geglättet. Gileads Wohnzimmer erinnerte an ein Heerlager. Überall standen leere Rüstungen herum. Fernandos Truppe war in der Küche und kochte. Es roch sehr gut. Esteban mochte gute Degen machen, aber Carlos kam aus Cádiz, und dort konnten sie vor allem kochen.
Im Wohnzimmer saßen Kathrin, Fernando, Gilead, Bébé, Esteban und Christoph um den Tisch. Christoph sah ziemlich kühl zu Kathrin hinüber, die neben Fernando saß. Kathrin ihrerseits sah kühl zu Christoph hinüber, der neben Gilead saß. Bébé betrachtete interessiert Estebans Degen und spielte damit am Tisch herum, der daraufhin wackelte.
Der Blickaustausch zwischen Gilead und Fernando hätte eisiger nicht sein können. Gilead hatte ein dickes Auge, das langsam blau wurde.
»Also!«, grollte Fernando mit der tiefsten Stimme, die ihm zur Verfügung stand. »Wo ist mein Dokument?«
»Hier«, sagte Christoph und hielt es in die Höhe. »Sie sind draufgetreten.«
»Halt!«, sagte er eine Achtelsekunde später zu Fernando, der sich über den Tisch geworfen hatte und nun von Gilead und Bébé mit Hilfe von Estebans Degen festgehalten wurde, weshalb Esteban vor Wut fast platzte.
»Wir sollten vielleicht erst die Konditionen für die Rückgabe absprechen.«
»Du Zwerg«, flüsterte Fernando gepresst, was ziemlich schwierig war, weil Gileads Fuß auf seinem Nacken den Kehlkopf behinderte, »ich habe elf Männer hier. Ich brauche bloß zu rufen …«
Er stockte, dann erkannte er seine Lage. Rufen gehörte nicht zu den Dingen, die er gerade jetzt tun konnte.
»Esteban!«, stieß er fast tonlos hervor. »Tu was!«
Bébé schaltete sich ein: »Und das ist wirklich monomolekularer Stahl?«, fragte er interessiert und hielt den Degen dicht über Estebans Kopf.
»Ist ganz schön schwer dafür, finde ich.« Sein Arm senkte sich ein wenig.
»Äh, Chef«, sagte Esteban, »vielleicht solltest du mit den Leuten reden.«
Kathrin griff ein.
»So«, sagte sie zu Christoph und Bébé, »jetzt reicht es. Gilead, nimm deinen Fuß von Fernando, und du, Bébé, gibst Esteban den Degen wieder. Vielleicht können wir uns jetzt in Ruhe unterhalten.«
Es wurde schon bemerkt, dass Kathrins Tonfall zuweilen eine gewisse Autorität über männliche Gefühle ausüben konnte. Die fünf kamen sich ein wenig albern vor. Jeder setzte sich auf seinen Platz.
»Du wolltest etwas sagen, Christoph«, meinte Kathrin.
»Ja«, sagte Christoph und steckte das Dokument zurück in seine Jackentasche. »Es geht darum. Ich habe da einen Klienten«, hier sah er aufmerksam zu Kathrin, ob sie das auch gebührend zur Kenntnis nahm, »der daran interessiert ist, von der Erde zurück auf seinen Planeten zu kommen. Dafür braucht er ein Vehikel. Du, Kathrin, hast einen Klienten, der immens reich sein wird, wenn er dieses Dokument zurückerhält. Das Dokument gehört aber meinem Klienten, weil er die Bücher deines Klienten bezahlt hat. Mein Klient verzichtet auf die Bücher und gibt das Dokument zurück, wenn Fernando ihm, als rechtmäßigen Erben der halben Welt, ein Raumfahrtprojekt finanziert. Wir sollten einen Deal machen.«
»Er wird wie ein immenser Trottel dastehen, wenn er das Dokument in Händen hat«, sagte Kathrin erbittert, »weil er seinen Anspruch niemals durchsetzen kann. Gegen wen überhaupt? Gegen das heutige Spanien?«
Die Runde schwieg einen Augenblick. Gilead fühlte sich vage schuldig. Aber dann kam ihm ein Gedanke und er fragte:
»Wieso seid ihr eigentlich unsterblich?«
Fernando sagte es ihm. Gilead grinste.
»Ich glaube, ich schulde dir gar nichts mehr, mein Lieber. Ich habe dich
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