Don Fernando erbt Amerika
Mühe.
»Euer Freund da«, sagte Leif zu Quetzal, der schon neben ihm stand, »er läuft irgendwie komisch. Kommt mir eigentlich gar nicht wie Laufen vor. Eher wie Wassertreten.«
»Oh, das!«, sagte Quetzal und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist gar nichts. Der Mann ist viel Rad gefahren.«
»Ah ja«, sagte Leif und ließ sich in einen Korbsessel auf dem Vorderdeck fallen. »Denn mal los, Jungs!«, schrie er und nahm einen Schluck Schnaps. »Bringt mir den Kahn wieder zum Laufen!«
Das taten die Novizen. Mit Satellitenpeilung kannten sie sich aus, und einen Zündschlüssel nachzumachen, war für keinen von ihnen ein Problem.
Es war gut, dass sie den Autopiloten schnell einschalteten, denn womit die aztekischen Novizen wohl ein Problem hatten, das war Leifs Kartoffelschnaps. So verloren sie ihre fünfhundertjährige alkoholische Jungfernschaft in einer ziemlich rauschenden Hochzeitsnacht auf dem Weg über den Atlantik zum Rhein-Main-Donau-Kanal.
9 Diese seltsame Übereinstimmung, dass kluge Wissenschaftler oft unter Agoraphobie leiden, sollte dem Rest der Bevölkerung zu denken geben. In Anbetracht der Tatsache, dass unsere Umwelt verseucht ist und draußen Menschen wie Angela Merkel, Ahmadinedshad und Dieter Bohlen herumlaufen, erscheint es zuweilen ganz vernünftig, im Haus zu bleiben und über den Neubau eines Bunkers nachzudenken. Bei Hitlichtlo allerdings hatte die Angst eine weniger reale Grundlage: Er hatte alle Deutschland sucht den Superstar -Staffeln gesehen und ein vages Gefühl entwickelt, dass er mit dieser Art Welt nicht zurechtkommen würde.
24
Als Erik aus dem Flugzeugfenster sah, bemerkte er weit, weit unter sich ein winziges Pünktchen auf dem Wasser. ›Ach ja‹, seufzte er in sehnsüchtiger Erinnerung still vor sich hin, ›in so einer Nussschale sind wir damals auch gefahren. Emma, ach, Emma.‹ Er verlor sich in den Erinnerungen, die der Namen hervorrief, und kam erst wieder in die Wirklichkeit zurück, als er neben sich die nette Figur einer Stewardess sah. Das Gesicht war nicht so nett. ›Aber immerhin‹, dachte sich Erik, ›man kann nicht alles haben.‹ Und damit waren seine Gedanken wieder bei dem Fall, der in seiner Aktentasche aus Robbenfell lag. Er grinste breit, als er sich vorstellte, welches Gesicht die Richter machen würden, wenn er ihnen Fernandos Dokument unter die Nase hielt. Das würde der interessanteste Fall seiner Anwaltschaft werden, und er hatte eine lange Berufserfahrung. Er öffnete die Tasche und holte die beglaubigte Kopie des Dokuments heraus. Wie war nun vorzugehen? Was musste zuerst getan werden? Vor seinem geistigen Auge entwickelte sich bereits ein verzwickter Plan, in dem Langlebige als Zeugen aufgerufen, uralte Bilder aus Gemäldegalerien in der ganzen Welt geholt und Unterschriftenvergleiche anhand vergammelter Schriftstücke vorgenommen wurden, um die Gerichte von der Existenz Langlebiger zu überzeugen. Dann musste er plötzlich noch breiter grinsen. Das war ja eigentlich kein Problem. Er konnte ja mühelos seine eigene Langlebigkeit beweisen, indem er Jahre alte Prozessakten hervorkramte und seine Unterschriften vergleichen ließ.
Aber dann verging ihm das Grinsen wieder, als er an den Hauptteil der Geschichte dachte. Das würde wirklich knifflig werden, und er hatte noch keine Ahnung, wie er Fernandos Anspruch durchsetzen konnte. Er sah aus dem Fenster. Der kleine Punkt war längst verschwunden.Die Stewardess teilte die üblichen Zettel aus, die jeder vor der Einreise in die USA ausfüllen muss, wenn er nicht eine Woche auf dem Flughafen verbringen will. Erik hatte sie schon tausendmal ausgefüllt.
Haben Sie vor, amerikanische Kinder zu schänden? – Nein!
Sind Sie vorbestraft? – Nein!
Führen Sie Getreide, Pflanzen oder größere Mengen Heroin mit sich und beabsichtigen Sie, diese in den USA zu vertreiben? – Nein!
Sind Sie Mitglied einer kriminellen Vereinigung? – Nein!
Wenn ja, welcher? – Anwaltsvereinigung!
Haben Sie vor, den Präsidenten oder die Regierung der Vereinigten Staaten zu stürzen? – Nein!
Nein?
Erik stutzte, las den Satz noch einmal und kam plötzlich ins Überlegen. Den Präsidenten stürzen? Die Regierung? War der Präsident nicht durch die Unabhängigkeitserklärung erst zum Präsidenten geworden? Da war die Revolution gewesen, 1776. Eine Revolution ist rechtsfreier Raum, oder? Oder doch nicht? Erik kam ein Gedanke. Er schob ihn weg. »Du bist ja irre«, sagte er zu sich selbst,
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