Don Fernando erbt Amerika
schneller dahinschossen, direkt auf die Polizeiwagen zu. Polizeichef Köberlein stand wie erstarrt mitten auf der Straße, ganz allein. Aufgrund einer durch gewisse medizinische Drogen verlangsamten Reizleitung erfasste er nicht schnell genug den Ernst der Lage. Er setzte sich langsam in Bewegung und wanderte gemächlich auf den Bürgersteig zu.
»Gott, Bébé!«, schrie Christoph. »Brems! Wir kommen nicht durch!«
Aber Bébé hörte nicht. Dreißig Meter vor der Sperre zog er das Auto mit einem plötzlichen Schwenk auf den Bürgersteig, der Gileadunmöglich schmal erschien. Die Außenspiegel wurden von der Mauer und den parkenden Wagen weggefetzt. Bébé beschleunigte immer noch und raste mit einem durchdringenden Hupen auf die Sperre zu. Dummerweise war Köberlein ja nun auf dem Bürgersteig. Und der war für einen Golf und einen Polizeichef eigentlich zu schmal. Bébé sah Köberlein, bewegte das Steuer um eine Winzigkeit nach links und schrammte mit nervenzerfetzendem Kreischen an der Hauswand entlang. Funken sprühten in hohem Bogen hinter ihnen auf den Bürgersteig, als Bébé sich an Köberlein vorbeidrängelte und die Türgriffe diesem lediglich Hemd und Hose vom Leib rissen.
»Jimi Hendriiiiiiiiiix!«, schrie Bébé – und dann waren sie durch und Gilead ohnmächtig, während Christoph vom Beifahrersitz auf die Knie gerutscht war und nur noch »dankedankedankedanke« betete. Von den Ruinen der Türgriffe flatterten zwei zerfetzte Kleidungsstücke wie Beutefahnen, als Bébé zurück auf die Straße zog, bei Rot über die Kreuzung raste und schließlich auf den Burgring einbog, auf dem natürlich, wie zu jeder Tages- und Nachtzeit, Stau herrschte. Bébé erfasste die Lage mit einem Blick und holperte auf die Straßenbahnschienen, was den Tramfahrer zu einer derartigen Vollbremsung zwang, dass die Bahn aus den Schienen sprang und diese blockierte. Sie rasten, vom Plärrer kommend, den Ring aufwärts in Richtung Tiergärtnertor nach Norden. Gilead, der aus seiner Ohnmacht erwacht war, drehte sich um.
»Sie folgen uns.«
»Ach was«, meinte Bébé in überraschtem Ton, »wieso denn bloß?«
Christoph war ebenfalls auf seinen Sitz zurückgekehrt und hatte seine normale Farbe gerade wiedererlangt, als er aus purer Gewohnheit einen Blick auf den Tachometer warf.
»O nein!«, flüsterte er. »Das ist nicht wahr. Das ist einfach nicht wahr.«
»Was denn?«, rief Bébé und erbleichte ebenso, als seine Augen Christophs zitternd ausgestrecktem Zeigefinger folgten.
»…«, sagte er entsetzt.
»Was ist denn?«, schrie Gilead nun von hinten.
»Nichts!«, sagte Christoph dumpf. »Außer dass wir jetzt sterben werden. In zwei Kilometern bricht Bébés Auto zusammen. In voller Fahrt wahrscheinlich, wenn sie uns nicht vorher kriegen.«
»Aber wieso?«, rief Gilead völlig verunsichert.
»Verstehst du nicht!«, schrie Bébé wütend und hämmerte auf das Lenkrad ein. »Ein scheißmetaphysisches Gesetz extra für mich! Gott, wir sind tot. Es sind 25.000, Christoph, das Auto fällt auseinander. Wir sind tot!«
Hinter ihnen waren mittlerweile acht bis zehn Streifenwagen, holten ab und zu auf, fielen wieder zurück – und aus den Fenstern hängende Polizisten schossen wie nebenbei auf die Reifen. Bébé fuhr wie irre. Sie rasten mit gut 130 Stundenkilometern den Ring entlang. Bébé jagte mit kreischenden Reifen in falscher Richtung in eine Einbahnstraße am Burgberg.
Mit Schrecken sah Christoph, wie auf dem Tachometer der letzte Kilometer erschien. Er war wie erstarrt. Bébé beschleunigte und fuhr mit zwei Reifen auf den Bürgersteig. Von der Jugendherberge her jubelte man ihnen begeistert über den Graben hinweg zu.
»So!«, sagte Bébé plötzlich ganz ruhig. »Tschüs, Jungs! Vielleicht im nächsten Leben wieder!«
Die Zahl im Tachometer schob sich nach oben, als Christoph plötzlich panisch das Handschuhfach aufriss, blind hineingriff, einen Schraubenzieher zu fassen kriegte und ihn wütend durch das Glas in den Tachometer rammte, bevor die 25.000 voll waren. Der Zähler war blockiert. Der Motor schrie gequält auf, aber er lief weiter.
»Fahr zu!«, schrie Christoph, und Bébé trat aufs Gas. Diesmal hatten sie das Auto überlistet. Aber hinter ihnen hingen noch immer die Streifenwagen.
In einem dieser Streifenwagen saß neben einem Polizisten, dessen Ärmel hochgekrempelt waren, weil er ölverschmierte Arme hatte, derPolizeichef Köberlein in Unterwäsche. Sie war bei Weitem nicht so reizvoll wie die
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