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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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der ist langlebig, aber ich esse das nicht.«
    »Wir verkochen ihn«, entschied Christoph, der eben einen großen Topf mit Wasser aufgesetzt hatte. »Hol Gilead, er soll Kartoffeln schälen.«
    Bébé wanderte hinüber ins Wohnzimmer, wo Gilead auf dem Sofa lag und fernsah.
    »Sieh mal«, sagte er zu Bébé, als der hereinkam, »der Polizeichef hat die Amerikaner geholt, damit sie ihm bei der Aufklärung der Entführung helfen.«
    Auf dem Bildschirm waren Archivbilder zu sehen, besonders lange verweilte die Kamera auf den Fotos, die den Bürgermeister in Spitzenhöschen während des Angriffs auf das Archiv zeigten. Die anschließend eingeblendeten Wahlprognosen verzeichneten einen dramatischen Stimmeneinbruch für die CSU.
    Bébé schaltete grinsend den Apparat aus und schleppte Gilead in die Küche. Während sie Kartoffeln schälten und eine Käsesoße vorbereiteten, meinte Bébé:
    »Morgen ist Montag. Dann rufen wir Erik an. Wenn alles klappt«, fügte er zweifelnd hinzu.
    »Was soll denn noch schiefgehen?«, fragte Christoph und ließ eine Kartoffel ins Wasser plumpsen. »Ich hab dir doch gesagt, dass wir hier am sichersten sind.«
    »Na ja«, sagte Gilead, »ich wüsste da noch eine ganze Menge. Vielleicht finden sie Fernando und sperren ihn so lange ein, bis er eine Verzichtserklärung unterschreibt. Oder sie bringen ihn einfach um. Oder Erik hat gar keine Chance vor Gericht. Oder …«
    Christoph unterbrach ihn: »Du siehst immer nur schwarz, Gilead. Du hast die Langlebigkeit überhaupt nicht verdient. Wenn Fernandonicht gewinnt, kommst du nie zurück nach Siron. Ich kann dir jedenfalls keine Rakete bauen, die schnell genug ist. Und überhaupt, du willst doch gar nicht mehr zurück. Dir gefällt es doch hier, oder?«
    Gilead sah von der Kartoffel auf, die er in der Hand hielt. Langsam, aber betont, sagte er: »Ich kann es aushalten. Aber die Aussicht auf ein paar weitere Tausend Jahre hier ist ungefähr so verlockend wie der Käse, den du da in die Soße schneidest. Wenn es überhaupt Käse ist. Für mich sieht das wie geronnene Böswilligkeit aus.«
    »Wir können aber nicht einkaufen gehen«, sagte Christoph oberlehrerhaft, »weil laut Erik der gesamte amerikanische Geheimdienst nach uns sucht. Was natürlich völliger Blödsinn ist, weil kein Aas weiß, dass wir Fernando überhaupt gesehen haben. O shit!«, sagte er plötzlich, weil ihm der Käse aus der Hand in die Soße gefallen war.
    »O shit!«, sagte auch Gilead, als der erste Fallschirmjäger das Fenster eintrat und wild auf alles feuerte, was sich bewegte. Zum Glück bewegten sich die drei nicht. Sie waren paralysiert vor Angst. Die Käsesoße allerdings wurde gründlich getötet.
    Es heißt, dass im Augenblick höchster Todesangst das gesamte Leben vor dem inneren Auge vorbeizieht. Aus verständlichen Gründen dauerte das bei Bébé und Christoph wesentlich kürzer als bei Gilead. Zum Glück für Gilead wurde der Fallschirmjäger bei der Ausführung seiner löblichen Mordtätigkeit dadurch behindert, dass mittlerweile ein Kollege auf seinem Kopf stand und ebenfalls nach einer Möglichkeit gierte, das Feuer eröffnen zu können. Das folgende Gerangel der beiden um einen guten Fensterplatz nutzten Bébé und Christoph, um Gilead zu Boden zu reißen und mit ihm aus der Küche zu kriechen. Alle drei zitterten unkontrolliert, was nicht sehr hilfreich bei der Fortbewegung war. Sobald sie aus der Schusslinie waren, richteten sie sich auf und rannten zur Tür, rissen sie auf, rannten den Hausmeister über den Haufen – der gerade fragen wollte, wer seinen Polizeibus in der Einfahrt geparkt hatte – und rannten, immer vier oder fünf Stufen auf einmal nehmend, in den Hauseingang hinunter.
    »Toll!«, keuchte Bébé. »Die haben keine Ahnung, wo wir sind, was? Die Bullen sind blöd, ja?«
    »Klappe!«, sagte Christoph, als er die letzte Treppe in zwei Sprüngen nahm. »Halt bloß die Klappe.«
    Unten angekommen, hielt Gilead sie am Ärmel fest und zeigte auf die Hintertür:
    »Vorn haben wir überhaupt keine Chance, wir klettern über die Mauer in den anderen Hinterhof.«
    In der Altstadt zu wohnen, hat den unschätzbaren Vorteil, dass die Hinterhöfe der Häuser eng zusammenliegen und ein unentwirrbares Labyrinth von Gärten, Garagen und Werkstätten bilden, sodass man einen ganzen Block durchqueren kann, ohne ein einziges Mal auf die Straße zu gehen. Durchqueren ist dabei allerdings nicht gleichbedeutend mit »gehen«. Das Ganze gleicht viel eher einem

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