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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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des Bürgermeisters, aber selbst in Köberleins sediertes Bewusstsein drang allmählich die Erkenntnis, dass er von den Verbrechern im Wagen vor ihnen unendlich gedemütigt worden war. Aber das war es eigentlich nicht, was ihn störte. Er war es ja gewohnt, gedemütigt zu werden. Was ihn wirklich fertig machte, war die Art, wie der Polizist neben ihm mit seinem Auto umging. Er johlte vor Vergnügen, während er alles versuchte, um den Golf vor ihm zu rammen. Während sie die enge Einbahnstraße an der Burgmauer in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit entlangrasten, klemmte der Polizist seine Knie unter das Lenkrad, kurbelte die Scheibe herunter und beugte sich halb heraus, während er mit einer Maschinenpistole auf die Flüchtenden feuerte.
    »Ich krieg sie, Chef!«, jubelte er. »Ich mach sie alle!«
    »Nicht!«, bat Köberlein schwach. »Fahren Sie langsamer, bitte. Der Hubschrauber macht das für uns!«
    Aber sein Protest verhallte ungehört im Klang des Martinshorns, dessen Geheule wieder diesen seltsamen Wunsch nach französischem Gebäck in Köberlein wachrief. Er schloss müde die Augen, als sie mehrere Straßenschilder niedermähten und über den Bordstein krachten, während der Wagen vor ihnen Vorsprung gewann. Köberlein wünschte sich zurück an seinen Schreibtisch. Und auf dem Schreibtisch sollte ein Teller mit vielen … na … Dingern eben … ach Gott. Er kam nicht darauf.
    Hundert Meter vor ihm raste Bébé mit zusammengebissenen Zähnen auf die Kreuzung zu, als dort plötzlich mehrere Streifenwagen auftauchten und sie endgültig in der Falle saßen.
    »Ich möchte nach Hause!«, sagte Gilead mit fester Stimme, so als würde sein Wille allein ausreichen, um dieser entsetzlichen Situation zu entkommen.
    »Bitte!«, flüsterte Christoph flehentlich. »Bitte! Bitte! Bitte!«
    Es war nicht klar, ob das ein Gebet oder eine Aufforderung an Bébé war. Wahrscheinlich beides. Und beide, Gott und Bébé, hattenein Einsehen. Bébé bremste scharf ab, ließ das Auto sich um seine eigene Achse schleudern, was kein Problem war, denn die Straße war nass und glatt, gab wieder Gas und fuhr nun direkt auf den Wagen zu, in dem Köberlein saß. Das war ein kluger Schachzug, denn Köberleins Bewusstsein trat im Angesicht der sehr schnell auf ihn zukommenden Lebensgefahr den endgültigen Rückzug an und überließ ihn achselzuckend seinen Instinkten. Von diesen Instinkten war vor allem einer stark genug, um die gesamte Situation zu entschärfen: der extreme Wunsch nach einem duftenden, frischen, zarten Croissant. Endlich war Köberlein der Name wieder eingefallen. Bedauerlich war nur, dass Köberleins Bewusstsein ihm nicht mehr sagen konnte, dass der ölverschmierte Arm, in den er genüsslich biss, kein Croissant war. Deshalb verriss der Polizist in jähem Schmerz das Lenkrad, der Streifenwagen durchbrach die äußere Mauer des Burggrabens und stürzte in die Krone einer blätterlosen Kastanie. Dort blieb er hängen. Die Straße vor Bébé war auf den nächsten zweihundert Metern frei, das war alles, was er brauchte. Über ihnen hing noch immer der Hubschrauber, aus dem Polizisten auf den Golf schossen. Bébé bog in dem Augenblick von der Straße ab, als ihn der nächste Streifenwagen fast erreicht hatte, raste über die Holzbrücke über den Burggraben und in den langen, dunklen Torweg hinein, der in den Innenhof der Burg führte. Der Hubschrauber, dessen Pilot ebenfalls ölverschmierte Hände hatte und der eigentlich gar keinen Hubschrauber fliegen konnte, versuchte, ihm zu folgen. Man hörte ein hässliches Krachen, als wichtige Teile der Maschine in brachialen Kontakt mit der Mauerkrone der Burg gebracht wurden und die unwichtigeren Teile, die nun nicht mehr flugfähig waren, fluchend den Trümmern entstiegen und hinter Bébé die Fäuste schüttelten. Aber der sah nichts davon, denn er fuhr gerade durch den Innenhof der Burg, auf der anderen Seite hinaus, an den ehemaligen Marställen vorbei und die Treppen hinunter ins Zentrum der Stadt. Frei von Verfolgung passierte er das Rathaus, raste durch die Fußgängerzone – wobei er die letzten nochnicht abgebauten Hütten des Christkindlesmarktes zerstörte –, rollte triumphierend über die Brücke und fuhr in den U-Bahnhof unter der Lorenzkirche ein, wo er bremste, indem er einen der Fahrkartenautomaten rammte. Der Motor des Wagens lief gurgelnd aus. Man konnte den Hass auf Bébé beinahe spüren, als der Golf ein letztes Mal widerwillig ruckte. Er war ein gebrochenes

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