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Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft

Titel: Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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wäre, wenn du Pablito nicht gestützt hättest.« Ich war verwirrter denn je. Ich glaubte wirklich, daß er ernsthaft berichtete, was er wahrgenommen hatte, aber ich erinnerte mich nur daran, daß ich Pablito am Arm gehalten hatte. »Was wäre geschehen, wenn ich nicht eingegriffen hätte?« fragte ich.
    »Das kann ich nicht beantworten«, erwiderte Nestor. »Aber ich weiß, daß ihr gegenseitig eure Leuchtkraft beeinträchtigt habt. In dem Augenblick, als du den Arm um Pablito legtest, wurde er fester, aber du vergeudetest deine kostbare Kraft für nichts.«
    »Was tatst du, nachdem wir gesprungen waren?« fragte ich Nestor nachlangem Schweigen.
    »Unmittelbar nachdem ihr beide verschwunden wart«, sagte er, »waren meine Nerven so durcheinander, daß ich nicht mehr atmen konnte und ebenfalls - ich weiß nicht wie lange - ohnmächtig wurde. Mir kam es nur wie ein kurzer Moment vor. Als ich wieder zur Besinnung kam, schaute ich mich nach Genaro und dem Nagual um; sie waren verschwunden. Ich rannte auf dem Berg hin und her und schrie nach ihnen, bis ich heiser war. Dann wußte ich, ich war allein. Ich ging an den Rand der Klippe und suchte nach dem Zeichen, das die Erde gibt, wenn ein Krieger nicht wiederkehren wird, aber ich hatte es bereits versäumt. Da wußte ich, daß Genaro und der Nagual für immer gegangen waren. Jetzt erst wurde mir klar, daß sie sich, nachdem sie euch beiden Lebewohl gesagt hatten, an mich wandten, und während ihr zum Rand der Klippe ranntet, winkten sie mir Lebewohl. So ganz allein um diese Tageszeit, an diesem verlassenen Ort zu sein, das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich hatte auf einen Schlag alle Freunde verloren, die ich auf Erden gehabt hatte. Ich setzte mich hin und weinte. Und da ich mich immer mehr fürchtete, fing ich an zu schreien, so laut ich konnte. Ich schrie aus vollen Lungen Genaros Namen. Inzwischen war es stockdunkel. Ich konnte keine Orientierungspunkte mehr ausmachen. Ich wußte, daß ich als Krieger mich nicht meinem Kummer überlassen durfte. Um mich zu beruhigen, fing ich an wie ein Koyote zu heulen, wie der Nagual es mich gelehrt hatte. Nachdem ich eine Weile geheult hatte, fühlte ich mich so viel besser, daß ich meine Traurigkeit vergaß. Ich vergaß, daß die Welt existierte. Je länger ich heulte, desto leichter fiel es mir, die Wärme und den Schutz dieser Erde zu spüren. Es mochten Stunden vergangen sein. Plötzlich fühlte ich in mir, hinterm Kehlkopf, einen Schlag und hörte Glockenklang in den Ohren. Da erinnerte ich mich an das, was der Nagual zu Eligio und Benigno gesagt hatte, bevor sie sprangen. Er sagte, daß dieses Gefühl in der Kehle sich einstellt, kurz bevor man bereit ist, das Tempo zu wechseln, und daß der Glockenklang ein Vehikel ist, das man benützen kann, um alles zu erreichen, was man will. Ich wollte jetzt ein Koyote sein. Ich schaute meine Arme an, die vor mir auf der Erde lagen. Sie hatten ihre Form verändert und sahen aus wie die Pfoten eines Koyoten. An meinen Armen und auf meiner Brust sah ich das Fell eines Koyoten. Ich war ein Koyote! Das machte mich so glücklich, daß ich weinen mußte, wie Koyoten vielleicht weinen. Ich spürte meine Koyotenzähne und meine lange spitze Schnauze und meine Zunge. Irgendwie wußte ich, daß ich gestorben war, aber das war mir gleich. Es war mir egal, ob ich mich in einen Koyoten verwandelt hatte oder gestorben oder noch lebendig war. Ich ging wie ein Koyote, auf vier Beinen, zum Rand des Abgrunds und sprang hinab. Sonst gab es für mich nichts mehr zu tun. Ich spürte, wie ich stürzte und wie mein Koyotenleib durch die Luft wirbelte. Dann war ich wieder ich selbst, hoch durch die Luft kreisend. Aber bevor ich am Boden aufschlug, wurde ich so leicht, daß ich gar nicht mehr stürzte, sondern schwebte. Die Luft strich durch mich hindurch. Ich war so leicht! Ich glaubte, mein Tod sei endlich in mich gekommen. Irgend etwas wühlte mein Inneres auf, und ich löste mich auf wie trockener Sand. Ich fühlte mich friedlich und vollkommen, so wie ich war. Aber irgendwie wußte ich, daß ich da war und doch nicht da war. Ich war nichts. Das ist alles, was ich darüber sagen kann. Und dann, ganz plötzlich, fügte das gleiche Etwas, das mich wie trockenen Sand aufgelöst hatte, mich wieder zusammen. Ich kehrte ins Leben zurück und fand mich in der Hütte eines alten mazatekischen Zauberers sitzen. Er nannte mir seinen Namen, Porfirio. Er sagte, er sei froh, mich zu sehen, und fing gleich an, mich

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