Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft
e gan z klein , dan n wiede r is t e s riesig« , fuh r sie fort . »Wen n e s klei n ist , dan n is t dei n Träume n präzise . Wen n e s gro ß ist, dan n is t dei n Träume n wi e Fliege n hoc h übe r de n Bergen , wobe i d u nicht vie l siehst . Ic h hab e da s Träume n noc h nich t genu g geübt , abe r de r Nagual sagt e mir , da ß diese s Aug e mei n Trump f ist . Eine s Tages , wen n ich wirklic h formlo s sei n werde , werd e ic h da s Aug e nich t meh r sehen . Das Aug e wir d sei n wi e ich , ei n Nichts , un d doc h wir d e s d a sein , gena u wie di e Verbündeten . De r Nagua l sagte , alle s mu ß durc h unser e menschliche For m gefilter t werden . Wen n wi r kein e For m haben , dan n ha t nicht s mehr fü r un s Form , un d doc h is t alle s gegenwärtig . Damal s verstan d ic h noch nicht , wa s e r dami t meinte , abe r heut e seh e ich , da ß e r völli g rech t hatte. Di e Verbündete n sin d rein e Gegenwart , un d s o wird' s woh l auc h mi t dem Aug e sein . Zu r Zei t is t diese s Aug e fü r mic h alles . Eigentlic h sollt e ich , da ic h diese s Aug e habe , nicht s andre s brauchen , u m mei n Träume n auc h im Wachzustan d i n Gan g z u setzen . Die s is t mi r bishe r noc h nich t g e lungen. Vielleich t bi n ic h ähnlic h wi e du , ei n bißche n halsstarri g un d träge.«
»Wi e has t d u e s gemacht , al s d u heut e nach t gefloge n bist? «
»Der Nagua l lehrt e mich , wi e ic h mi t Hilf e meine s Körper s Lichte r erzeugen kan n - wei l wi r ohnehi n Lich t sind ; ic h m a ch e als o Funke n un d Lichter, un d dies e ziehe n di e Linie n de r Wel t an . Sobal d ic h ein e sehe , is t e s ganz leicht , mic h a n si e anzuhängen. «
»Wi e hängs t d u dic h d a an? «
»Ic h packe sie.«
Si e macht e mi t de n Hände n ein e Greifbewegung . Si e krümmt e die Finge r un d r ückt e di e Handgelenk e zusammen , s o da ß ihr e Handflächen ein e Schal e bildeten , wobe i di e gekrümmte n Finge r nac h obe n wiesen.
»D u muß t di e Lini e packen , wi e ei n Jaguar« , fuh r si e fort , »un d d u darfst di e Handgelenk e nich t auseinande r nehmen . Tus t d u e s doch , dan n stürzt d u a b un d brichs t di r de n Hals. « Si e macht e ein e Paus e un d zwan g mich dadurch , si e anzusehen . Ic h wartet e au f weiter e Erklärungen . »D u glaubst mi r nicht , oder? « fragt e sie.
Ohn e mi r Zei t fü r ein e Antwor t z u lassen , hockt e si e sic h hi n un d fing wiede r an , ih r Funkenspie l z u produzieren . Ic h wa r gan z ruhi g un d gefaßt un d konnt e ih r Tu n mi t ungeteilte r Aufmerksamkei t verfolgen . Al s si e die Finge r aufschnickte , schiene n all e Faser n ihre r Muskel n gleichzeitig angespannt . Dies e Spannun g schie n sic h i n ihre n Fingerspitze n zu konzentriere n un d strahlt e i n For m vo n Lichtbündel n ab . Di e Feuchtigkeit a n ihre n Fingerspitze n wirkt e wi e ei n Leiter , de r de n vo n ihre m Körper ausgehende n Energiestro m transportierte.
»Wi e has t d u da s gemacht , Gorda? « fragt e ic h v ol l echte r Bewunderung.
»Wirklich , ic h wei ß e s nicht« , sagt e sie . »Ic h mac h e s einfach . Ic h habe e s unzählig e Mal e gemacht , un d doc h wei ß ic h nicht , wi e ic h e s mache. Wen n ic h eine n diese r Strahle n packe , dan n spür e ich , da ß irgen d etwas mic h zieht . Ic h t u wirklic h nicht s andres , al s mic h vo n de n Linien , di e ich gepack t habe , ziehe n z u lassen . Wen n ic h wiede r zurückkehre n will , dann hab e ic h da s Gefühl , da ß di e Lini e mic h nich t loslasse n will , un d ic h gerate ei n Panik . Da s is t mein e schlimmst e Eigenschaft , sagt e de r Nagua l immer. Ic h fürcht e mic h s o sehr , da ß ic h mic h noc h eine s Tage s ernstlic h verletzen werde . Abe r ic h glaub e auch , da ß ic h eine s Tage s noc h formlose r sei n und mic h dan n nich t meh r fürchte n werde ; wen n ic h nu r bi s z u diese m Tag aushalte , dan n is t alle s gut. «
»Dan n sa g mi r doch , Gorda , wi e läß t d u dich vo n de n Linie n ziehen?«
»D a sin d wi r wiede r a m Ausgangspunkt . Ic h wei ß e s nicht . De r Nagual ha t mic h vo r di r gewarnt . D u wills t alle s möglich e wissen , wa s wi r nicht wisse n können.«
Ic h sucht e ih r klarzumachen , da ß ic h nu r wisse n wollte , wi e si e be i ihren erstaunliche n Tate n z u Werk e ging . Tatsächlic h hatt e ic h e s längst aufgegeben , vo n ihne n alle n Erklärunge n z u erwarten , den n ihre Erklärunge n
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