Don Juan 05 - Der zweite Ring der Kraft
wenn ich ihn weiter bedrängte, mir zu sagen, was da an seiner Hand sei, würde er noch in Ohnmacht fallen, und Nestor müßte ihn dann monatelang gesundpflegen.
Pablito bekam einen würgenden Hustenanfall. Sein Gesicht wurde purpurrot. La Gorda sagte wie beiläufig, er solle mit seiner Schauspielerei aufhören, weil doch kein Publikum da sei; sie selbst wolle gleich gehen, und ich hätte nicht soviel Geduld. Zu mir gewandt, befahl sie mir in gebieterischem Ton, nur ja hierzubleiben und nicht zum Haus der Genaros zu gehen. »Warum denn nicht, zum Teufel?« brüllte Pablito und sprang ihr in den Weg, als wolle er sie am Gehen hindern. »Was für eine Frechheit! Dem Maestro zu sagen, was er tun soll!«
»Wir hatten gestern abend in eurem Haus einen Zusammenstoß mit den Verbündeten«, teilte la Gorda Pablito sachlich mit. »Der Nagual und ich sind noch davon geschwächt. Ich an deiner Stelle, Pablito, würde meine Aufmerksamkeit auf die Arbeit konzentrieren. Die Dinge haben sich nämlich geändert. Alles hat sich geändert, seit er gekommen ist.«
La Gorda ging durch die Vordertür hinaus. Mir wurde auf einmal bewußt, daß sie tatsächlich sehr müde aussah. Anscheinend waren ihre Schuhe zu eng, oder vielleicht war sie auch so schwach, daß sie im Gehen die Füße nachzog. Sie wirkte klein und zerbrechlich.
Wahrscheinlich sah ich genauso müde aus, überlegte ich. Da es im Haus keinen Spiegel gab, wollte ich hinausgehen und mich im Rückspiegel meines Autos betrachten. Vielleicht hätte ich es getan, aber Pablito hinderte mich daran. Er bat mich in allem Ernst, nur ja kein Wort zu glauben von dem, was sie über ihn und seine Schauspielerei gesagt hatte. Ich versicherte ihm, er könne ganz unbesorgt sein. »Du kannst la Gorda überhaupt nicht leiden?« fragte ich.
»Das kannst du laut sagen!« erwiderte er mit wildem Blick. »Du weißt besser als jeder andere, was für Ungeheuer diese Frauen sind. Der Nagual hat uns gesagt, daß du eines Tages kommen würdest, nur um ihnen in die Falle zu gehen. Er bat uns, wachsam zu sein und dich vor ihren Schlichen zu warnen. Der Nagual meinte, du hast eine von vier Möglichkeiten: Falls deine Kraft groß wäre, könnten wir Männer selbst dich herbringen und dich warnen und retten. Falls deine Kraft gering wäre, würden wir nur noch rechtzeitig kommen, um dich als Leiche zu sehen. Die dritte Möglichkeit wäre, dich als Sklave dieser Hexe Soledad oder gar als Sklave dieser ekelhaften Mannweiber vorzufinden. Die vierte und geringste Chance wäre, dich wohlauf und lebendig vorzufinden.
Und dann sagte der Nagual uns, daß du, falls du am Leben bleiben solltest, der Nagual sein würdest; dann sollten wir dir vertrauen, weil nur du uns helfen könntest.«
»Ich würde alles für dich tun, Pablito. Das weißt du.«
»Nicht nur für mich. Ich bin nicht allein. Der Zeuge und Benigno sind mit mir zusammen. Wir gehören zusammen, und du mußt uns allen helfen.«
»Natürlich, Pablito, das versteht sich von selbst.«
»Die Leute hier haben uns nie belästigt. Schwierigkeiten haben wir nur mit diesen häßlichen Mannweib- Monstern. Wir wissen nicht, was wir mit ihnen anfangen sollen. Der Nagual hat uns befohlen, bei ihnen zu bleiben, egal was kommen mag. Er gab mir sogar eine persönliche Aufgabe, aber ich habe versagt. Vorher war ich sehr glücklich. Du erinnerst dich doch. Jetzt finde ich mich im Leben nicht mehr zurecht.«
»Was ist denn passiert, Pablito?«
»Diese Hexen haben mich aus meinem Haus vertrieben. Sie haben sich breitgemacht und mich wie einen Haufen Müll hinausgekehrt. Jetzt lebe ich mit Nestor und Pablito in Genaros Haus. Wir müssen sogar selbst unser Essen kochen. Der Nagual wußte, daß es so kommen könnte, und darum trug er la Gorda auf, zwischen uns und diesen drei Hexen zu vermitteln. Aber la Gorda ist immer noch, wie der Nagual zu sagen pflegte, der alte Zwei-hundertzwanzig- Pfund-Arsch. Das war jahrelang ihr Spitzname, weil sie glatte zweihundertzwanzig Pfund auf die Waage brachte.« Bei dieser Erinnerung an la Gorda lachte Pablito in sich hinein.
»Sie war das fetteste, stinkigste Ekelstück, das du je gesehen hast«, fuhr er fort.
»Heute hat sie nur noch die Hälfte ihrer wahren Leibesfülle, aber im Kopf oben ist sie noch immer das gleiche fette, lahme, träge Weib, das sie war, und sie kann nichts für uns tun. Aber jetzt bist du ja gekommen, Maestro, und unsere Sorgen sind vorbei. Jetzt sind wir vier gegen vier.« Ich wollte eine Bemerkung
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