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Don Juan de la Mancha

Don Juan de la Mancha

Titel: Don Juan de la Mancha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Menasse
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wie raus, ich lief, ich bereute jede jemals gerauchte Zigarette. Rue Jean-Jacques Rousseau (da war sie ja!), rue Voltaire, es lichtete sich, zumindest symbolisch, nicht infolge des Feuerscheins – da war ein Hotel: Hotel Voltaire. Ich lief hinein. Und in diesem Hotel traf ich einen Menschen, der, wie ich dann erfuhr, auf gleiche Weise wie ich in diese Lage gekommen war, nachdem er, vom Flughafen kommend, von einem Taxifahrer zum Aussteigen gezwungen worden war.
    Erzähltechnisch und sehnsuchtsökonomisch wäre es jetzt natürlich perfekt, wenn dieser Mensch just die Frau gewesen wäre, die ich in der Ankunftshalle des Flughafens und dann bei den Taxis gesehen hatte.
    Aber es war ein Mann. Das Hotel war so verrottet, dass ich mich fragte, wer in ruhigeren Zeiten hier absteigen mochte. Der Fußboden des kleinen Vorraums, der zur Rezeption führte, war zum Teil aufgerissen, mir war in diesem Moment nicht klar, ob es sich hier um eine Baustelle handelte, weil das Hotel renoviert wurde, oder um die Folgen von Ausschreitungen und Vandalismus. An einer Seitenwand waren Kabel und Röhren freigestemmt, daneben stand ein roter Gummibaum. Nach all dem Gerenne war ich nun in einem Zustand, in dem ich die Realität nur noch in Zeitlupe wahrnahm. Ein roter Gummibaum? Er war rot vom Ziegelstaub infolge der Stemmarbeiten. Der Tresen der Rezeption war gerade breit genug, dass ein Mann mit angelegten Armen einen Meldezettel ausfüllen konnte. Vor dieser Rezeption stand ein sehr bleicher Mann neben einem schwarzen Koffer. Ein schwarzer Koffer. War er verkohlt? Nein, er war einfach schwarz.
    48.
    Ich kam von Paris zurück, ohne eine alte Liebe aufgefrischt oder gar verstanden zu haben. Und ohne vor einer neuen Illusion geflüchtet zu sein. Ich kam von Paris zurück mit nichts als meinem Leben. Aber das war vielleicht die Grenze, die ich gesucht hatte. Einige Tage später hatte ich Zeit, mir diese Frage zu stellen.
    Der Mann im Hotel Voltaire sah mich an. Sind Sie auch ein Flüchtling?, sagte er. Ich nickte. Wir sind die Minderheit hier, sagte er, wir wollen nach Hause flüchten.
    Es stellte sich heraus, dass er Arzt war. Herzspezialist. Ein berühmter Kardiologe des Universitätsspitals Zürich. Er gab mir seine Karte. Wenn Sie einmal ein neues Herz brauchen, sagte er. Ich gab ihm meine Karte. Der Kartentausch in dieser Situation hatte etwas ungemein Beruhigendes. Ich spürte, wie ich meine Fassung wiederfand. Nie wieder wollte ich über förmliche Höflichkeit lästern. Wenn die Welt ihre Form verlor, war die Förmlichkeit in ihr eine sichere Enklave. Mir fiel ein Roman von Balduin Möllhausen ein, den ich als Jugendlicher gelesen hatte. Möllhausen war ein Vorläufer von Karl May, in seinen Romanen mussten sich Deutsche, die in die Neue Welt ausgewandert waren, im Kampf gegen wilde Indianerstämme beweisen. Ihre Überlegenheit schilderte Möllhausen als Überlegenheit auch ihrer Kultur und Umgangsformen. Die deutschen Helden im Wilden Westen waren bei Möllhausen eine lächerliche Mischung aus Freiherr von Knigge und Siegfried, oder österreichisch: eine Symbiose aus Willy Elmayer und Andreas Hofer. Ein typischer Möllhausen-Satz lautete daher: »Wir schüttelten uns die Hand und dann die Indianer ab.« Der Doktor hatte einen Blick auf meine Karte geworfen. Redaktion Leben, sagte er, da sind wir sozusagen Kollegen.
    Und er reichte mir die Hand.
    Dann fragte er mich, ob ich auch zurück zum Flughafen wolle. Er hatte soeben die Operation an einer prominenten französischen Schauspielerin, zu der er beigezogen werden sollte, versäumt, nun wolle er so schnell wie möglich zurück nach Zürich.
    Wir müssen da raus, sagte er. Ich habe eine Möglichkeit aufgetan. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit.
    Ich wollte. Alice meldete sich nicht. Die Stadt brannte. Ja, sagte ich, wir müssen da raus. Aber wie?
    Der berühmte Doktor hatte telefonisch Beziehungen spielen lassen, einflußreiche Kontakte genutzt. Ein Taxi war hier nicht mehr zu bekommen. Ein Polizeiauto würde mit Steinen und Molotowcocktails beworfen werden. Aber, sagte er, eine Rettung würde durchkommen.
    Eine Rettung wäre gut, sagte ich. Genau was wir brauchen.
    Ja, sagte er, ein Rettungsfahrzeug lassen sie durch, das ist mehrfach bestätigt. Also habe ich eines hierher bestellt. Die Rettung wird mit Blaulicht vorfahren. Es werden zwei Sanitäter mit einem Tragebett hereinkommen. Ich hatte eigentlich vor, mich da drauf zu legen und ins Rettungsauto bringen zu lassen. Wir machen

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