Don Juan de la Mancha
am besten San Pellegrino.
Kein Perrier?
Siehst du, sagte Helmuth, du brauchst einen Überraschungsfaktor. Weißt was, schreib Gasteiner.
Wir aßen das Schnittlauchbrot, das Helmuth produziert hatte, tranken den Wein, aßen dann etwas Käse, dazu noch zwei Flaschen Wein. Wir lachten wie die Kinder. Danach konnte ich schlafen.
In der Früh richtete ich die Seite ein. Franz hatte zum Glück frei. Er hatte perfekt vorgearbeitet. Ich musste nur noch die Fotos, die Bildlegenden, den »Trick« und ein paar O-Töne des Meisterkochs ins Layout rinnen lassen.
Neue SMS empfangen. Alice. »Was ist los mit Dir?« Nichts, dachte ich und drückte auf »Löschen«. Dann fuhr ich ins Wochenende.
50.
Alter (Definition): Auf der Terrasse eines Wochenendhauses sitzen, das man sich endlich leisten kann, Rotwein trinken, nicht an die Schulden denken und auch nicht an die Jahre, die noch fehlen bis zur Pension. In den kleinen Garten schauen, auf den Apfelbaum, den man selbst gepflanzt hat, und denken: Das wird mir fehlen, wenn ich tot bin.
Alter (pragmatisch): Es ist wichtiger zu leben, als glücklich zu sein.
Alter (Situation): Auf der Terrasse des Wochenendhauses sitzen, diesen Gedanken haben, dann andere. Christa. Was sie über den Tod gesagt hatte. Ihre alten Griechen, die sie zitiert hatte. Was hatte sie gesagt? Eine Ewigkeit her. Ich war schon betrunken vom Rotwein und fand nichts mehr dramatisch, nicht einmal den Gedanken an den Tod. Ich glaube, ich würde mich vor dem Tod nur dann fürchten, wenn ich der erste Mensch wäre, der sterben müsste. Aber es haben noch alle geschafft, Milliarden von Menschen. Mitten im Garten die Eiche. Er habe sie vor zwanzig Jahren gepflanzt, hatte der Verkäufer gesagt. Ein schöner Baum, schon sehr groß, aber immer noch sehr zart. Wie wird er in hundert Jahren aussehen? So, dass er der metaphorischen Bedeutung, die die Eiche in der deutschen Geschichte hat, vollkommen entspricht. Aber in hundert Jahren wird keiner, der im Schatten dieses Baumes sitzt, die deutsche Geschichte mehr kennen. Ich wünschte mir, Christa wäre hier. Oral ein Naturtalent. Ihre Worte. Bin zugleich froh, dass sie nicht hier ist. Ich könnte nicht mehr. Mit ihr reden. Wenn das Eiweiß weg ist. Aber sie will ja dann immer reden. Und essen. Ich sollte abnehmen.
Meine Frau ist noch immer verreist. Ich schicke eine SMS: Ich liebe Dich!
Ich höre das Summen und Sirren der Flügeltiere. Dann gibt das Handy ein Signal. SMS meiner Frau: »Ich Dich auch.«
Alter (vernunftbegabt): Auf der Terrasse sitzen, Wein trinken, rauchen und denken: Du musst gesünder leben, sonst wirst du nicht alt.
Alter (perspektivisch): Man sieht das Dunkel, aber ist es nicht schon das Licht, wenn man es denn sehen kann? Das Handy läutet. Es ist Franz. Hätte das nicht bis morgen Zeit gehabt? Nein, sagt er.
51.
Das Gespräch mit Doktor Tenner war erfrischend kurz und sehr sachlich. Dann ging ich zu Traude, zog einen Stuhl zu ihrem Schreibtisch, setzte mich zu ihr und sagte: Ich liebe dich!
Sie lachte: Liebe am Arbeitsplatz?
Ohne Arbeitsplatz. Ich bin entlassen. Franz ist dein neuer Chef.
Nein.
Doch.
Warum?
Kann ich dich heute zum Abendessen einladen? Auf ein Schnittlauchbrot?
52.
Ich holte Traude um halb acht ab, ging mit ihr ins »Latour«. Ich bestellte zwei Schnittlauchbrote und bat, den Sommelier an unseren Tisch zu schicken, wegen der Weinempfehlung. Der Kellner lächelte. Eine Minute später stand Helmuth Rakouso an unserem Tisch. Seine Gesichtsfarbe erinnerte an seine berühmte »Hummerterrine mit Trauben von der Nebbiolorebe«. Er glänzte vor Vergnügen. Die Leben-Seite mit dem Schnittlauchbrot sei ein »Wahnsinnserfolg« gewesen, erzählte er. Gestern sei er für das »Österreichische K&K Magazin« (»K&K« stand für »Küche und Keller«) interviewt worden, zum Thema Neue Einfachheit. Er werde Titelgeschichte sein. Ein Supercoup, sagte er, ihr seid heute meine Gäste.
Sind Genüsse die Folge von Missverständnissen? Traude und ich bekamen jeder ein winzigkleines Schnittlauchbrot als »Gruß aus der Küche«, dann ein viergängiges Menü, begleitet von besten Weinen. Ich war unfähig zu reden. Traude aber dachte, ich sei endlich der Mann, der ihr zuhört. Diese Unfähigkeit, die sie für eine Eigenschaft hielt, sollte dann mit einer sogenannten Liebesnacht belohnt werden. Sie redete und redete, über ihre vor zwanzig Jahren gescheiterte Ehe, wie schwer, ja unmöglich es damals nach der Scheidung für sie als Mutter eines
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