Don Juan de la Mancha
das jetzt anders. Sie sind der Patient, und ich – er kniete nieder, öffnete seinen Koffer und zog einen grünen Chirurgenmantel heraus, verschloß den Koffer, richtete sich auf – bin Ihr Arzt.
Der Arzt meines Herzens!
Er zog den Mantel an, wenige Minuten später war die Rettung da, ich wurde hinausgetragen, in das Rettungsauto hineingeschoben, sah, wie das Blaulicht über die Hausfassaden tanzte, hörte Geschrei, die Hecktüre fiel zu. Dann fuhr die Rettung mit Blaulicht zum Flughafen. Während der Fahrt gab mir der Arzt eine Infusion: einen Schluck Whisky aus seinem Flachmann.
Ich erreichte den letzten Flug nach Wien.
In der Abflughalle der Abschied von meinem Arzt und Retter. Er gab mir die Hand.
Michele.
Nathan.
Sie haben meine Karte. Wie gesagt: Wenn Sie ein neues Herz brauchen …
Ich hätte gern das Herz einer Frau.
Das Herz oder den Körper?
Das Herz. Den Körper kann man nicht austauschen.
Das Geschlecht des Herzens auch nicht. Das Geschlecht des Herzens ist im Kopf. Machen Sie es gut, Nathan!
Sie auch, Michele, und: danke!
49.
Ich hatte mein Leben gerettet, das »Leben« aber nicht. Ich hatte kein Rezept für einen Dreisterne-Powersnack und keine Fotos aus Paris mitgebracht. Ich war todmüde, als ich in Wien ankam, aber ich wusste, dass ich nicht schlafen können würde. Ich war zu aufgewühlt. Und zu verwirrt. So sehr, dass ich in der Ankunfthalle des Flughafens Wien-Schwechat nach der Frau Ausschau hielt, die ich in der Ankunfthalle von Paris Charles de Gaulle gesehen hatte. Als mir zu Bewusstsein kam, was ich tat, grinste ich wie ein Betrunkener. Ich nahm ein Taxi, nannte dem Fahrer die Adresse, er sagte: Kein Problem.
Ich fand das sensationell. Ich war in einer Stadt, in der man einem Taxifahrer eine Adresse sagen konnte, und er sagte: Kein Problem. Ich war zu Hause. Nicht ganz. Es fehlte eine Seite Leben.
Ich schaltete das Handy ein. Es kam sofort das Signal »Nachricht erhalten«. SMS von Alice. »Heute ist die Hölle. Wie schaut es bei Dir morgen aus?«
Ich wusste nicht, wie es morgen ausschauen würde, löschte die Nachricht und rief Helmuth Rakouso an, Starkoch in Wien und mein Freund, seit ich regelmäßig Geschäftsessen und Besprechungen in seinem sündteuren Gourmettempel »Graf Latour« abhielt. Eine normale Wiener Geschäftsfreundschaft. Ab einer gewissen Höhe des Profits duzt man sich.
Hör zu, Helmuth, ich brauche deine Hilfe. Sofort. Lass mich nicht hängen! Was heißt, es ist spät? Was heißt, wie viele Personen? Jetzt. Keine Personen. Ich brauche nur deinen Namen. Und dein Gesicht.
Dann rief ich den jungen Rubinowitz an, einen freiberuflichen Fotografen, der mich regelmäßig quälte, weil er Aufträge brauchte.
Was heißt Schabbes, sagte ich, bist du Fotograf oder Rabbi? In zwanzig Minuten im »Graf Latour« im ersten Bezirk. Bei Rakouso, richtig!
Die letzten Gäste waren soeben gegangen, als ich und eine Minute später Rubinowitz im »Latour« eintrafen. Die Kellner stellten die Stühle auf die Tische, der Assistenzkoch und eine Frau räumten die Küche auf, Helmuth stand vor dem Waschbecken und schlug sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann frottierte er es ab, es war jetzt zartrosa wie seine berühmten Lammfilets unter der Rucolakruste. Der Ofen ist kalt, sagte er, wo brennt’s?
Ich erklärte ihm, was ich von ihm brauchte. Ich hatte noch immer das Spesengeld für Frankreich in einem Umschlag in meiner Jackentasche. Ich legte ein paar Scheine auf das große Schneidbrett, sagte: Das ist für fünf Minuten Arbeit und anschließend eine Flasche Rotwein.
Ich verlange nichts, sagte Helmuth und steckte das Geld ein, das ist für den Rotwein. Er gab seinem Assistenzkoch ein Zeichen: Dekantier mir einen Saint-Julien, Chateau Ducru Beaucaillou 1990. Und dann zu mir: Bei dem Wein zahl ich noch drauf!
Wir fotografierten in vier Schritten die Herstellung eines – Schnittlauchbrotes. Inklusive »Der kleine Trick des großen Koches«: den geschnittenen Schnittlauch nicht mit den Fingerspitzen über das Brot streuen, auch nicht mit dem Messer aufnehmen und auf das Brot kippen, sondern: das bebutterte Brot umgedreht auf den Schnittlauch drücken. Dadurch ist der Schnittlauch nicht nur dichter und gleichmäßiger auf dem Brot verteilt, er haftet auch besser und rieselt nicht bei jedem Bissen herunter.
Dazu empfahl der Maitre »Buttermilch gespritzt«. Zwei Drittel Buttermilch, etwas Flor de Sal (optimal wäre Flor de Sal d’Es Trenc), dann mit Mineralwasser aufgießen,
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