Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
welches ihrem guten Namen und ihrer Ehre so nachteilig war. Dann sagte ich wieder, wie sie nur hätte bekennen dürfen, daß ich ihr Gemahl sei, so hätten sie gesehen, daß ihre Wahl nicht unanständig gewesen, denn vor Don Fernandos Bewerbung konnten sie selbst keinen besseren Gatten für ihre Tochter wünschen; ehe sie aber der äußersten Gewalt nachgegeben hätte und die Hand gereicht, hätte sie sagen können, sie habe sie mir schon gegeben, daß ich kommen und alles das bestätigten werde, was sie für gut befunden hätte, zu erdichten. Ich ward endlich überzeugt, daß wenig Liebe, wenig Vernunft und viel Ehrgeiz und Streben nach Größe sie dahin gebracht hätten, das Versprechen zu vergessen, womit sie mich getäuscht und in meiner festen Hoffnung und meinen tugendhaften Wünschen hingehalten hatte. So schreiend und in dieser Verwirrung reiste ich die ganze Nacht hindurch, mit Anbruch des Tages fand ich mich am Eingange dieses Gebirges, in dem ich wieder drei Tage ohne Weg und Steg herumirrte, bis ich endlich auf Wiesen kam, die, ich weiß nicht nach welcher Seite dieser Berge liegen, und etliche Schäfer nach der wildesten Gegend des Gebirges fragte. Sie wiesen mir diese Gegend nach, und sogleich begab ich mich mit dem Entschlusse hierher, hier mein Leben zu endigen. Wie ich in die Gegend dieser Wildnis kam, fiel mein Maultier vor Ermüdung und Hunger tot nieder oder, wie ich eher glaube, um eine so unnütze Last, wie ich war, abzuwerfen. Ich war zu Fuß, von der Natur überwältigt, vom Hunger gemartert, ohne mir die Mühe zu geben, die Befriedigung meiner Bedürfnisse zu suchen. So lag ich, ich weiß nicht wie lange, auf der Erde, worauf ich, ohne Hunger zu fühlen, mich aufhob und mich bei einigen Ziegenhirten befand, die mir wohl mußten beigestanden haben, denn sie erzählten mir, wie sie mich angetroffen hätten und daß ich so vielen Unsinn und mancherlei Tollheiten gesagt, daß sie wohl eingesehen, wie ich den Verstand verloren habe. Ich habe es auch seitdem selbst empfunden, daß er nicht immer hinreichend stark ist, sondern oft so schwach und dünn, daß ich tausend Torheiten begehe, mir die Kleider zerreiße, durch die Einsamkeit schreie, mein Schicksal verfluche und vergeblich den geliebten Namen meiner Feindin wiederhole; meine Absicht ist dann, mir mit diesem Geschrei das Leben zu nehmen, und wenn ich dann wieder zur Besinnung komme, fühle ich mich so matt und erschöpft, daß ich mich kaum regen kann. Mein gewöhnlicher Aufenthalt ist die Höhlung eines geräumigen Korkbaumes, in dem ich diesen elenden Körper verberge. Die Ochsentreiber und Ziegenhirten, die in diesen Bergen streifen, legen mir, aus Mitleid bewegt, im Wege und auf den Felsen Nahrung hin, wo sie meinen, daß ich vorübergehe und sie finden werde, und ob ich gleich dann nicht Besinnung habe, so treibt mich doch der Instinkt der Natur, meine Nahrung zu suchen, und erweckt in mir die Begierde, sie zu nehmen und zu verzehren. Oft, sagen sie, wenn sie mir im Wahnsinne begegnen, falle ich sie auf den Wegen an und nehme ihnen mit Gewalt, so gern sie’s mir auch aus gutem Willen geben, wenn die Schäfer aus dem Dorfe nach den Hütungen gehen. So lebe ich dies elende, unglückselige Leben, bis es dem Himmel gefallen wird, es zu beschließen oder mein Gedächtnis zu ändern, daß ich nicht mehr der Schönheit und des Verrats Lucindens sowie Don Fernandos Schändlichkeit gedenke; geschieht dies vor meinem Tode, so will ich meine Gedanken anders richten, wo nicht, so bitte ich ihn nur darum, daß er meiner Seele gnädig sein möge, denn in mir selber fühle ich nicht Kraft und Stärke genug, meinen Körper aus diesem Elende zu reißen, in das ich mich freiwillig gestürzt habe. Dies, meine Herren, ist die trübselige Geschichte meiner Leiden, sagt mir nun, ob ich weniger empfinden kann, als wie ihr an mir gesehen habt? Gebt euch darum keine Mühe, mir mit vernünftigem Rate beizustehen, er kann mir so wenig nützen wie die Arznei eines geschickten Arztes dem Kranken, der sie nicht einnehmen will. Ich will keine Wohlfahrt ohne Lucinde, und da sie einen anderen erwählt hat, indem sie die meine war oder sein sollte, wähle ich mir nun das Unglück, da ich sonst hätte glücklich sein können. Sie machte durch ihren Wankelmut mein Verderben beständig, ich will mich selbst verderben und dadurch ihren Willen erfüllen; ich bin für die Zukunft ein Beispiel, wie mir allein das fehlte, was sonst allen Elenden bleibt, die sich immer damit
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