Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
und mutterlose Waise zurücklassen müsse. Doch bekümmerte ihn dieses nicht so sehr, wie er sagte, als er sich darüber ängstigte, daß er gewiß vorher wisse, wie ein ungefüger Riese, Beherrscher einer großen Insel, die dicht an unser Reich grenzte, und der Pandalifando mit dem schiefen Blicke genannt wurde (denn es ist wahr, daß ihm die Augen zwar gerade und gut stehen, er aber immer in die Quere sieht, als wenn er schielte, was er nur aus Bosheit tut, um die, welche er ansieht, in Furcht und Schrecken zu setzen); er wußte also, daß dieser Riese kaum erfahren würde, ich sei eine Waise, als er auch schon mit einer großen Macht mein Reich überziehen und es mir ganz entreißen würde, ohne mir zu meinem Aufenthalte auch nur einen kleinen Flecken übrig zu lassen; daß ich aber diesem Unglücke entweichen könne, wenn ich mich bequemte, ihn zu heiraten. Aber er wußte auch recht gut, daß mir eine solche ungleiche Vermählung niemals in den Sinn kommen würde, und darin hatte er recht; denn es ist mir niemals eingefallen, mich mit diesem oder einem anderen Riesen zu verheiraten, wenn er auch noch so groß und ungeheuer wäre. Mein Vater sagte mir aber auch zugleich, daß, wenn er tot sei und Pandalifando Miene mache, mein Reich zu überziehen, ich mich nicht verteidigen solle – denn dieses würde nur zu meinem Untergange gereichen –, sondern daß ich ihm mein Königreich ohne Widerstand überlassen möchte, wenn ich den Tod und das Verderben meiner braven und getreuen Untertanen vermeiden wolle; denn es sei mir unmöglich, mich gegen die Teufelskräfte des Riesen zu verteidigen; daß ich mich aber mit einigen Gefährten sogleich auf den Weg nach Hispania machen solle, denn dort sei meine Hilfe anzutreffen, ich würde nämlich hier einen irrenden Ritter finden, dessen Ruhm sich um diese Zeit schon durch das ganze Land verbreitet hätte und der, wenn ich mich recht erinnere, Don Glühpfote oder Don Kühschoote heißen sollte.«
»Don Quixote wird er gesagt haben, Dame«, fiel hier Sancho Pansa ein, »oder mit seinem zweiten Namen, der Ritter von der traurigen Gestalt.«
»So ist es auch«, sagte Dorothea.«Er sagte mir ferner, daß er groß von Körper sei, von dürrem Antlitze und daß er auf der rechten Seite unter der linken Schulter oder dort herum ein braunes Mal habe mit einigen borstenähnlichen Haaren.«
Als Don Quixote dies vernahm, sagte er zu seinem Stallmeister: »Hierher, Sohn Sancho, hilf mich entkleiden, damit ich sehe, ob ich der Ritter sei, von dem der weise König prophezeit hat.«
»Warum will sich mein Herr entkleiden?« fragte Dorothea.
»Um zu sehen, ob ich das Mal besitze, von dem Euer Vater gesprochen«, antwortete Don Quixote.
»Es ist nicht nötig, Euch auszukleiden«, sprach Sancho, »denn ich weiß, daß Ihr mitten auf dem Rücken ein solches Mal habt, welches einen tapferen Menschen bezeichnet.«
»Dies ist hinreichend«, sprach Dorothea, »denn Freunde müssen nicht auf Kleinigkeiten achten; ob es nun auf der Schulter oder auf dem Rücken ist, das hat nichts zu sagen, genug, daß sich dort herum das Mal findet; denn alles ist doch ein Fleisch; und gewiß hat mein guter Vater alles richtig getroffen; ich aber ebenso richtig, indem ich mich dem Herrn Don Quixote empfohlen habe, der derselbe ist, von dem mein Vater gesprochen, denn die Anzeichen des Gesichts treffen mit dem großen Rufe vollkommen überein, den dieser Ritter nicht nur in Spanien, sondern auch in der ganzen la Mancha erlangt hat. Denn kaum war ich bei Ossuna ans Land gestiegen, als ich so viel von seinen Unternehmungen erzählen hörte, daß mir mein Geist augenblicklich sagte, er sei derselbe, den ich zu suchen gekommen.«
»Wie seid Ihr aber zu Ossuna ans Land gestiegen, meine Dame«, fragte Don Quixote, »da es doch kein Seehafen ist?«
Ehe aber noch Dorothea antworten konnte, nahm der Pfarrer das Wort und sagte: »Die durchlauchtige Prinzessin muß es wohl so meinen, daß, nachdem sie zu Malaga ans Land gestiegen, Ossuna der erste Ort gewesen, wo sie den Ruf von Euer Gnaden vernommen.«
»Das habe ich sagen wollen«, sagte Dorothea.
»Und somit fahre nun«, sagte der Pfarrer, »Eure Majestät fort, Dero Geschichte zu beendigen.«
»Es ist nichts weiter zu beendigen«, antwortete Dorothea, »als daß mein Schicksal mir endlich so günstig gewesen, daß ich den gnädigen Herrn Don Quixote gefunden, und daß ich mich nun schon wieder für die Königin und Beherrscherin meines Reiches ansehe; denn
Weitere Kostenlose Bücher