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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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Rolle gegen Camilla zu unterstützen, die schon ebenso gleich gültig über Anselmos Kunstgriff, als heftig in Lotario verliebt war; weil ihr also diese Gedichte gefielen, sie auch recht gut einsah, daß seine Verse und Gedanken nur auf sie gerichtet waren, und daß sie die eigentliche Cloris sei, bat sie ihn, daß wenn er noch ein anderes Sonett oder andere Verse wüßte, er sie hersagen möchte.
    »Ich weiß ein zweites«, antwortete Lotario, »ich halte es aber nicht für so gut, als das erste oder, um mich richtiger auszudrücken, für noch schlechter, Ihr mögt aber selbst urteilen, denn so klingt es:
Sonett
Ich weiß ich sterbe, dies ist mir geblieben,
Glaubst du es nicht, muß ich so eh’r vergehen,
Wie du mich, Harte, wohl magst sterben sehen,
Doch nicht bereun, daß dir geweiht mein Lieben.
Bin ich in jeder Schattenwelt dort drüben,
Wo alle Freuden, Leben, Ruhm verwehen,
Dann sieh im offnen Busen Zeugnis stehen,
Dein schönes Angesicht ihm eingeschrieben.
Dies Heiligtum will ich mir treu bewahren
Für jenen Weg, auf den mich treibt mein Sinn,
Den deine Grausamkeit noch treuer stählet.
Wie muß mein Schiff bei dunklem Himmel fahren
Durch fremd gefahrenvolle Meere hin,
Wo Kompaß mir und Stern und Hafen fehlet!
    Auch dieses zweite Sonett lobte Anselmo ebenso wie das erste, und so fügte er selbst einen Ring nach dem anderen an die Kette, aus der seine Entehrung zusammengefügt war, denn als Lotario ihn am meisten entehrte, glaubte er sich am meisten geehrt; und mit jeder tieferen Stufe, die Camilla bis zu ihrer Verächtlichkeit herabstieg, stieg sie in der Meinung ihres Mannes höher, bis zum Gipfel der Tugend und Rühmlichkeit.
    Es geschah um diese Zeit, daß Camilla sich mit ihrem Mädchen einmal, wie es öfter kam, allein befand und zu ihr sagte: »Ich bin sehr bekümmert, liebe Leonella, daß ich mich selbst nicht mehr zu schätzen gewußt habe, so daß Lotario erst mit der Zeit den ganzen Besitz meiner Liebe bekommen hätte, den ich ihm jetzt so schnell und freiwillig überlassen habe. Ich fürchte, daß er diesen schnellen Leichtsinn geringschätzen wird, ohne zu fühlen, daß es mir unmöglich war, ihm zu widerstehen.«
    »Sei deshalb unbesorgt, Señora«, antwortete Leonella, »denn das ist kein Grund, die Gabe gering zu achten, weil man sie bald gegeben hat, wenn sie nur sonst gut ist und an sich selbst geschätzt zu werden verdient; so pflegt man ja auch zu sagen, wer bald gibt, gibt doppelt.«
    »Man pflegt aber auch zu sagen«, antwortete Camilla, »was man wohlfeil kauft, wird nicht sonderlich geachtet.«
    »Das paßt nicht hierher«, antwortete Leonella, »denn ich habe mir sagen lassen, daß Amor einmal fliegt und ein andermal geht; mit diesem läuft er, und mit jenem schreitet er gemächlich, den einen macht er lau, den anderen brennend, diesen verwundet er, jenen bringt er um; schnell entsteht der Lauf seiner Wünsche, und schnell gelangen sie ans Ziel; am Morgen umzingelt er die Festung, und in der Nacht muß sie sich ergeben, weil sie keine Kraft zum Widerstande hat; wenn dem nun so ist, warum bist du besorgt, oder weshalb quälst du dich, weil dasselbe auch dem Lotario begegnet sein muß, da Amor die Abwesenheit unseres Herrn zum Mittel gebraucht hat, Euch zu bezwingen? In dieser Abwesenheit war es nötig, alles zu vollbringen, was Amor beschlossen hatte, ohne der Zeit Zeit zu lassen, damit Anselmo zurückkäme und die Vollendung des Werkes durch seine Gegenwart störe, denn Amor hat keinen besseren Diener, um sein Vorhaben auszuführen, als die Gelegenheit; der Gelegenheit bedient er sich in allen seinen Taten, vorzüglich im Anfange. Alles dies habe ich mehr aus Erfahrung als vom Hörensagen, und du sollst wohl einmal erfahren, daß ich auch ein Mädchen bin, aus Fleisch und Blut geformt; auch hast du dich ja nicht so schnell ergeben, daß du nicht vorher in den Blicken, Seufzern, Worten, Versprechungen und Geschenken des Lotario seine ganze Seele gesehen hättest, in ihr alle seine Tugenden, und wie sehr er deshalb verdiente, geliebt zu werden. Wenn dem aber so ist, so laß dich nicht von Furcht und ängstlichen Zweifeln beunruhigen, sondern sei versichert, daß Lotario dich ebenso achtet wie du ihn achtest, und lebe mit der Überzeugung ruhig, daß, wenn du dich einmal in die Liebesnetze verstrickt hast, du doch einem Würdigen zuteil geworden bist; denn er besitzt nicht nur die vier S. S., von denen man sprichwörtlich sagt, daß sie die vollkommenen Liebhaber haben müßten,

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