Don Quixote
Mannes übergehen, wenn er auch, wie schon gesagt, keine Gelegenheit zu dieser Verderbnis gegeben hat: denn wie der Schmerz des Fußes oder eines jeden andern Gliedes am menschlichen Körper vom ganzen Körper empfunden wird, weil alles dasselbe Fleisch ist, und wie das Haupt daher die Verletzung der Ferse empfindet, wenn es diese gleich nicht verursacht hat, so nimmt auch der Mann an der Schande des Weibes teil, weil er mit ihr ein und dasselbe Wesen ist; und wie Keuschheit und Unkeuschheit in der Welt aus Fleisch und Blut entstehen und die Entehrung des schlechten Weibes eben darin liegt, so folgt notwendig, daß ein Teil davon auf den Mann zurückfällt und er ebenfalls für entehrt zu achten ist, wenn er gleich nicht darum weiß. Bedenke ferner, Anselmo, die Gefahr, der du dich bloßstellst, wenn du die Ruhe stören willst, in der deine edle Gattin lebt; bedenke, welcher eitlen und fürwitzigen Grübelei zu Gefallen du die Leidenschaften erwecken willst, die jetzt noch friedlich im Busen deiner keuschen Gattin schlummern; überlege, daß das, was du gewinnen kannst, klein, und was du verlieren könntest, so groß ist, daß ich es nicht zu schildern unternehme, weil mir dazu Worte und Ausdrücke mangeln. Ist aber alles, was ich gesagt habe, nicht hinreichend, dich von deinem bösen Vorsatze abwendig zu machen, so magst du ein andres Werkzeug deiner Entehrung und deines Unglücks suchen, denn ich will es nicht sein, wenn ich auch darüber deine Freundschaft einbüßen sollte, welches doch der größte Verlust ist, den ich mir vorstellen kann.«
Mit diesen Worten beschloß der tugendhafte und verständige Lotario, und Anselmo war so verwirrt und in Gedanken versunken, daß der ihm eine geraume Zeit nicht antworten konnte, endlich aber sagte er: »Du hast gesehen, mit welcher Aufmerksamkeit ich dir zugehört habe, mein Freund Lotario, was du mir auch hast sagen wollen, und in deinen Gründen, Beispielen und Vergleichungen habe ich deinen großen Verstand eingesehen, und wie sehr du bis zur höchsten Staffel der Freundschaft gelangt bist; auch gestehe ich gern, daß, wenn ich nicht deiner Meinung folge, sondern ihr zuwider der meinigen nacheile, ich dem Guten entfliehe und dem Bösen entgegenrenne. Dies vorausgesetzt, mußt du erwägen, daß ich jetzt an der Krankheit leide, die manche Weiber zu erdulden pflegen, die das Gelüste überfällt, Sand, Kreide, Kohlen und andere, noch schlimmere Dinge zu essen, wenn sie auch gleich anzusehen ekelhaft sind, geschweige zu verschlucken; so ist bei mir eben auch ein künstliches Mittel nötig, damit ich genese, und das kann leicht dadurch geschehen, daß du nur den Anfang machst, dich um Camilla zu bemühen, wenn du es auch nur mit Langsamkeit und ohne Eifer tust; denn sie wird nicht so schwach sein, daß gleich bei den ersten Angriffen ihre Tugend erliegt, und schon mit diesem bloßen Anfange will ich zufrieden sein, und du hast dann zugleich das erfüllt, was du unsrer Freundschaft schuldig bist, indem du mir nicht nur das Leben gegeben, sondern mich auch überzeugt hast, daß ich nicht ohne Ehre sei; und schon aus ei nem Grunde bist du verpflichtet, es zu tun, denn in dieser Stimmung, in der du mich siehst, entschlossen, diese Probe in Ausübung zu bringen, darfst du es nicht zugeben, daß ich einem andern meine Verrückung vertraue, bei dem ich meine Ehre, die du erhalten willst, auf das Spiel setzen müßte; und was das betrifft, daß deine Ehre gekränkt würde, weil Camilla unrecht von dir denkt, solange du dich um sie bewirbst, so bedeutet dies wenig oder nichts, denn wenn wir sie so finden, wie wir hoffen, kannst du ihr kürzlich unsern ganzen Kunstgriff offen darlegen, und sie wird dich dann ebenso hoch als vorher achten. Da du nun so wenig wagst und du mir so große Freundschaft erzeigst, wenn du es wagst, so weigere dich nicht, es zu tun, wenn dir auch noch mehr Einwürfe beifallen sollten, denn, wie ich schon gesagt, schon mit dem bloßen Anfange will ich die Sache für abgetan halten.«
Als Lotario Anselmos entschlossenen Willen sah und keine Beispiele mehr wußte, die er aufstellen, keine neue Gründe, die er anführen könnte, damit er diesem nicht nachgäbe, dabei die Drohung hörte, daß er einem andern seinen bösen Vorsatz anvertrauen wollte, so nahm er sich vor, um ein größeres Übel zu verhindern, ihn zufriedenzustellen und das zu tun, was er verlangte, mit dem Vorsatz, den Handel so zu führen, daß, ohne Camillas Gedanken zu ändern, Anselmo
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