Don Quixote
dergleichen Sachen nicht, denn ich will dir mit einem Male alles beantworten; wisse also, daß sie eine Christin ist, daß sie uns von unseren Ketten erlöste und uns aus der Gefangenschaft frei machte. Freiwillig geht sie mit uns und ist über ihren gegenwärtigen Zustand vergnügt, denn sie kömmt aus Finsternis in Licht, aus dem Tode in Leben, aus Trübsal in Herrlichkeit.‹
›Ist das Wahrheit, was jener sagt, meine Tochter?‹ fragte der Mohr.
›So ist es‹, antwortete Zoraida.
›Du wärest also‹, erwiderte der Alte, ›in der Tat Christin und hättest deinen Vater in die Gewalt seiner Feinde gegeben?‹
Worauf Zoraida antwortete: ›Wahr ist es, daß ich Christin bin, doch habe ich dich nicht in diesen Zustand versetzt, denn niemals hab ich den Wunsch gehabt, dich zu verlassen noch dir etwas Übles, sondern nur mir Gutes zu tun.‹
›Und welches Gute tust du dir, mein Kind?‹
›Dies‹, antwortete sie, ›mußt du Lela Marien fragen, sie wird dir das besser als ich sagen können.‹
Kaum hatte der Mohr dies gehört, als er sich mit unglaublicher Schnelligkeit köpflings ins Meer stürzte, wo er gewiß er trunken wäre, wenn seine großen und weiten Gewänder ihn nicht einige Zeit über dem Wasser erhalten hätten. Zoraida rief, daß wir ihm helfen möchten, und wir alle liefen sogleich hinzu; er wurde bei seinem Oberkleide ergriffen und bewußtlos in das Schiff gezogen, worüber Zoraida mit solcher Trauer, als wenn er schon gestorben wäre, über ihn ein heftiges und klägliches Jammergeschrei begann. Wir stellten ihn mit dem Kopfe nach unten, und er gab vieles Wasser von sich, worauf er nach zwei Stunden wieder zu sich kam, während welcher Zeit sich der Wind wieder gedreht hatte und uns nach dem Lande zu trieb, wogegen wir uns mit aller Gewalt des Ruderns setzen mußten. Das Glück fügte es besser, daß wir in eine Bucht gelangten, die auf der Seite eines kleinen Vorgebirges liegt, welches die Mohren Cava Rumia nennen, das in unserer Sprache soviel als das böse Christenweib heißt, und es ist bei den Mohren eine Sage, daß die Cava hier begraben liege, durch welche Spanien verlorenging; denn Cava heißt in ihrer Sprache soviel als das böse Weib und Rumia Christin. Sie halten es auch für eine üble Vorbedeutung, sich hier vor Anker zu legen, wenn sie die Not einmal dazu zwingt, denn freiwillig tun sie es niemals; für uns aber war dieser Ort kein böses Weib, sondern eine sichere Zuflucht, bis sich das Meer geändert hätte. Auf dem Lande stellten wir Wachen aus, und die übrigen ließen die Ruder nicht aus den Händen; wir aßen von dem, womit uns der Renegat versorgt hatte, und baten Gott und unsere Jungfrau von ganzem Herzen, daß sie uns helfen und begünstigen möchten und einem so glücklichen Anfange einen ebenso glücklichen Ausgang gewähren.
Es wurde hierauf, auf Bitten der Zoraida, eingerichtet, daß man ihren Vater und die übrigen gebundenen Mohren an das Land setzte; denn sie konnte es in ihrem weichen Herzen nicht länger ertragen, ihren Vater gebunden vor sich und die übrigen aus ihrem Lande entführt zu sehen. Wir hatten auch bei unserer Abreise dies zu tun versprochen, und wir liefen dabei keine Gefahr, sie an diesem einsamen Orte zurückzulassen.
Unsere Gebete waren nicht vergeblich, sondern der Himmel erhörte sie, denn es fing an, ein günstiger Wind zu wehen, das Meer wurde ruhig, worauf wir den Vorsatz faßten, mit frischem Mute unsere angefangene Reise fortzusetzen. Wir banden also die Mohren los und setzten sie einen nach dem andern an das Land, worüber sie sich sehr verwunderten; als wir aber den Vater der Zoraida, der wieder zu sich gekommen war, ans Land führen wollten, sagte er: ›Warum meint Ihr, Christen, daß dieses böse Mädchen will, daß Ihr mir die Freiheit gebt? Meint Ihr, es sei aus Liebe, die sie zu mir trägt? Nein, wahrlich nicht, sondern sie will sich nur von meiner Gegenwart nicht stören lassen, wenn sie ihr böses Vorhaben ausgeführt ; glaubt auch nicht, daß sie ihre Religion deswegen verändert, weil sie einsieht, daß die Eurige besser als die unsrige sei, sondern weil sie weiß, daß in Eurem Lande die Schändlichkeit öffentlicher als in dem unsrigen getrieben wird.‹ Er kehrte sich hierauf zu Zoraida, indem er von mir und einem anderen Christen an beiden Armen gehalten wurde, damit er kein Unheil anrichten möchte, und sagte: ›O du nichtswürdiges Kind! Unverständige Törin! Wohin willst du, Verblendete, in der Gesellschaft
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