Donaugrund (German Edition)
stattdessen die eines schüchternen, zurückhaltenden Menschen, der gern mal übersehen wurde? Ich musste es ihr einfach sagen, schon allein zu ihrer eigenen Sicherheit. Nicht auszudenken, wenn König dahintersteckte und irgendwann einsehen musste, dass auch seine vorgebliche Hilfsbereitschaft nicht zum Ziel führte.
Würde er dann durchdrehen? War er auch bei Wahlner einfach durchgedreht?
»Frau Kleingrün, wusste sonst noch jemand davon, dass Sie gestern länger bleiben wollten?«
Einen Augenblick lang biss sie sich nachdenklich auf die Unterlippe. »André natürlich«, antwortete sie schließlich. »Und Simone habe ich es nebenbei erzählt, weil ich gehofft habe, sie würde es Sascha gegenüber erwähnen. Ich kann ein bisschen Positivpropaganda nämlich gut gebrauchen im Moment.« Sie lächelte verhalten, als wollte sie sich selbst ermutigen. »Ansonsten … keine Ahnung. Es weiß eigentlich jeder, dass ich mit einem Internetportal beschäftigt bin, das kurz davorsteht, online zu gehen. Und es weiß auch jeder, dass das immer Überstunden bedeutet.«
»Aber Herrn König haben Sie selbst von den geplanten Überstunden erzählt, richtig?«
Sie nickte, dann stutzte sie. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen«, fragte ich vorsichtig, »dass er vielleicht hinter den Anschlägen auf Sie stecken könnte?«
»André?« Sie lachte ihr tiefes, melodisches Lachen. Ja, sie hatte sich wohl wirklich wieder gefangen. »Nie im Leben«, fügte sie voller Überzeugung hinzu. »Warum sollte er?«
»Weil«, setzte ich an, doch Celia, aus deren Gesicht mit einem Schlag wieder alle Farbe gewichen war, griff Halt suchend nach dem Waschbecken. »Oh mein Gott«, flüsterte sie. »Glauben Sie das wirklich?«
»Es wäre möglich, oder?«
»Er hat auch … Vorgestern ist er ziemlich ausgeflippt.«
»Inwiefern ausgeflippt?«
»Wir waren bei mir, und ich habe …« Sie biss sich verlegen auf die Unterlippe. »Ich wollte dann nicht, weil … Wir sind einfach Freunde, verstehen Sie?«
Ja, das verstand ich. Und was sie unerwähnt gelassen hatte, konnte ich mir zusammenreimen.
»Er ist richtig wütend geworden … So habe ich ihn noch nie gesehen. Ich …«
»Hatten Sie Angst vor ihm?«, fragte ich vorsichtig.
Sie nickte. »Und am nächsten Tag …«
»Lag die tote Taube in Ihrer Schublade«, vervollständigte ich den Satz.
Sie kämpfte gegen die Tränen der Erschütterung, die ihr in die Augen traten. »Aber ich will das nicht glauben, Frau Sonnenberg. Er ist mein einziger Freund hier.«
Zur Beruhigung legte ich meine Hand auf ihre Schulter und drückte sie. »Es ist nur ein Verdacht. Noch ist nichts bewiesen. Aber …« Ich legte eine bedeutungsvolle Pause ein. Sie musste den Ernst der Lage trotzdem begreifen. »Seien Sie vorsichtig. Und geben Sie um Himmels willen endlich besser auf Ihre Handtasche acht.«
Nachdem ich Raphael und Moritz von dem Gespräch mit Celia erzählt hatte, beschlossen wir hinsichtlich André König ein etwas anderes Vorgehen. Er sollte noch einmal die Chance bekommen, von sich aus eine Verwicklung in die Anschläge auf Celia und den Mord an Wahlner, so es sie denn gab, einzuräumen. Dass er wütend auf Celias Abweisung reagiert hatte, bestärkte Raphael und Moritz natürlich in ihrer Überzeugung.
»Ich sag doch: Die Stillen sind die Schlimmsten.« Mit einem triumphierenden Grinsen lehnte Raphael sich im Stuhl zurück und schlug lässig die langen Beine übereinander. Fehlte nur noch, dass er sich selbstzufrieden die Eier kraulte. »Und es würde mich sehr wundern, wenn sich dieser König nicht doch ein bisschen provozieren ließe.«
Moritz’ Augen leuchteten in freudiger Erwartung.
»Übertreib’s nicht«, antwortete ich. »Nicht dass du dir mit deinen Rüpeleien mal wieder Ärger einhandelst.«
Das Leuchten in Moritz’ Augen erlosch.
»Warum Ärger?« Raphael wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. »Insgeheim stehst du doch drauf.«
Wieder leuchteten Moritz’ Augen auf – im Gegensatz zu meinen, die von der Überdosis an Männlichkeitswahn, die mich umschwirrte, getrübt wurden. Trotzdem schaffte ich es, vage mit dem Kopf in Moritz’ Richtung zu deuten. »Pst. Nicht vor den Kindern«, rügte ich Raphael.
Das Klopfen an der Tür brachte Moritz um eine mögliche Revanche.
König wartete unsere Aufforderung ab und trat ein. Unsicher ließ er seinen Blick von Raphael zu Moritz schweifen, schließlich wandte er sich jedoch an mich. »Ich
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