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Donaugrund (German Edition)

Donaugrund (German Edition)

Titel: Donaugrund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Silberhorn
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Anscheinend brauchte ich dringend einen Facebook-Lehrgang. Oder, noch besser, eine Löschung meines Facebook-Accounts. »Das hält kein Mensch aus. Und außerdem brauchen wir sowieso keine Verstärkung. Herbert ist vielleicht nicht immer besonders motiviert, aber er nimmt uns echt viel Arbeit ab. Und wir können uns auf ihn verlassen, und zwar jederzeit.«
    »Ja, außer er ist gerade beim Kaffeetrinken mit Erna. Oder irgendwer hat einen Kuchen spendiert und in die Teeküche gestellt. Oder er hat gerade mal wieder keinen Bock auf Arbeit und deshalb sein Hirn ausgeschaltet.«
    Anscheinend kapierte er nicht, dass er wieder einmal zu weit ging. »Er weiß genau, wann wir ihn brauchen, okay?«, fauchte ich. »Und ich will nichts anderes hören, verstehst du?«
    »Komm schon, Sarah. Ich weiß ja, dass du aus nostalgischen Gründen an ihm hängst, aber das hilft uns nun mal nicht weiter.« Raphael griff nach meiner Hand, doch ich entzog sie ihm. Mit seinem Geläster über Herbert hatte er einen wunden Punkt erwischt. Trotzdem fuhr er unbeirrt fort: »Herbert ist gedanklich längst in Rente, und das ist ja auch okay, es sei ihm gegönnt. Aber wenn wir hier wirklich eine Riesenermittlung in dieser nicht gerade kleinen Firma vor uns haben, dann wird’s mit unserem Ferienclub-Chef schwierig, das sage ich dir jetzt schon. Oder wir sind die nächsten zwanzig Jahre mit diesem Fall beschäftigt. Ich glaube nicht, dass der Chef davon begeistert wäre.«
    Ich schnaubte bloß.
    »Sarah, bitte …«
    Ich schnaubte noch einmal.
    »Hör bitte auf, du klingst wie das Walross aus dem NDR .«
    Ich schnaubte ein drittes Mal.
    »Schön, dann schnaub weiter. Das ändert aber nichts daran, dass ich recht habe.«
    Eigentlich überflüssig, zu erwähnen, dass ich in Walross-Manier antwortete.
    Melchior und sein Assistent warteten bereits im Nebenzimmer ihrer Kammer des Schreckens, als wir endlich in Erlangen eintrafen, und auch Michi Bauer war dieses Mal schneller als wir gewesen.
    »Röntgen und CT haben wir schon gemacht«, informierte der Rechtsmediziner uns knapp. »Nix Besonderes, keine Brüche. Allerdings hat sich zwischenzeitlich ein Schaumpilz gebildet, wir können also wohl vom Dod durch Ertrinken ausgehen. Na, werden wir ja gleich sicher sehen.« Er lächelte, die kleinen Augen hinter der Brille glänzten erwartungsfroh. »Und im Labor warten die Kollegen schon, damit wir gleich mit der Analyse der Blutalkoholkonzentration zum Dodeszeitpunkt loslegen können.« Begeistert winkte er uns zu einem Nebentisch, wo Wahlners aufgeschnittene Kleidungstücke fein säuberlich aufgereiht lagen.
    Sein Enthusiasmus in allen Ehren, aber wie man sich so auf eine Sektion freuen konnte, kapierte ich immer noch nicht. Die Information mit dem Schaumpilz war natürlich wertvoll. Die feinen Bläschen, die dem Mund einer Leiche oft erst einige Zeit nach der Bergung entströmten, waren ein Hinweis darauf, dass er zum Zeitpunkt des Sturzes ins Wasser noch gelebt hatte und somit dem eiskalten Donauwasser zum Opfer gefallen war. Sollte sich bei der Obduktion entsprechender Schaum auch in Luftröhre und Bronchien finden, war die Todesursache sichergestellt.
    »Und jetzt wird’s richtig spannend!« Melchior klatschte vor Begeisterung in die Hände, und obwohl ich die Augen verdrehte und Michis Grinsen erwiderte, horchte ich auf.
    »Kommen wir zum Hemd und somit zu den prämortalen Verletzungen des Doden. Sehen Sie sich das an!« Melchior deutete auf die Knopfleiste des Hemdes, von der zwei der weißen Knöpfe abgesprengt worden waren. Dann zeigte er auf die Brusttasche, die an der Naht eingerissen war. Mit einer schnellen Bewegung klappte er sie zur Seite und offenbarte so den Blick auf ein herausgerissenes Stück Stoff. »Das kann nicht im Wasser passiert sein«, sagte er, »denn sehen Sie hier: Der Anorak des Doden war bis zum Kinn geschlossen und ist auf Brusthöhe unbeschädigt.«
    Er hatte recht, die Goretex-Jacke wies nur leichte Treibspuren auf, war ansonsten aber völlig intakt.
    »Das Hemd«, fuhr er fort, »ist ansonsten ebenfalls in gutem Zustand, eben weil es durch die geschlossene Jacke geschützt war.«
    Tatsache. Zwar nicht mehr blütenweiß, aber ohne gravierende Schäden.
    »Ich vermute also, da gab es ein tüchtiges Gerangel, in dessen Verlauf sich der Gegner des Opfers einfach an den Stellen des Hemdes festgekrallt hat, die er am besten greifen konnte.«
    Ich stutzte, aber Melchior kam mir mit einem triumphierenden Lächeln zuvor: »Und das

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