Donaugrund (German Edition)
gelinde gesagt, etwas überbesorgt war.
»Vielleicht hatte er sonst irgendwelche Probleme, für die es keine Lösung gab«, riss Sarah ihn endlich aus diesen tristen Erinnerungen, runzelte aber skeptisch die Stirn. »Vielleicht ist die Firma nicht so erfolgreich, wie die Homepage und Hoyer uns glauben machen wollen.«
»Möglich. Das müssen wir ohnehin überprüfen«, antwortete Raphael. »Also, fassen wir zusammen: Wenn Wahlner an dieser Stelle in die Donau gefallen ist – was in Anbetracht der Nähe zum Ausgang des Veranstaltungsbereichs und der Tatsache, dass er kilometerweit abgetrieben wurde, das Wahrscheinlichste ist –, dann können wir einen Unfall so gut wie sicher ausschließen. Einen Selbstmord nicht zwingend, aber besonders wahrscheinlich ist der auch nicht – irgendwelche Anzeichen dafür hätten eigentlich auch Max und Moritz bei ihren Nachforschungen auffallen müssen, als Wahlner noch als vermisst galt. Also kommen die Kampfspuren ins Spiel, die Melchior gefunden zu haben glaubt.«
»Wie ich den Melchior kenne, kann er uns heute bestimmt schon Genaueres darüber verraten«, stimmte ihm Sarah zu.
Darauf hoffte auch Raphael, denn das Jagdfieber hatte ihn bereits gepackt. Trotzdem vergrub er sein Gesicht in Sarahs Halsbeuge und atmete ihren vertrauten Duft ein, der ihn zuverlässig darüber hinwegtröstete, ständig vom Schlechtesten ausgehen zu müssen.
* * *
Celia lehnte alles andere als ausgeschlafen an der Kaffeemaschine und wartete darauf, dass sich der Latte macchiato aus frisch gemahlenen Espressobohnen endlich in ihr Glas ergoss. So lecker der Kaffee hier in der Firma war, so nervtötend war es auch, vor dem Automaten zu warten, bis er endlich warmgelaufen war. Vor allem, wenn sich der Schreibtisch gleichzeitig unter Bergen von Arbeit bog.
»Hi, Celi, hast du schon gehört?«
Celia schreckte auf und stieß sich das Handgelenk an der Küchenarbeitsplatte. Jessica polterte in die Küche, schnappte sich ebenfalls ein Macchiato-Glas und stellte sich neben sie. Die hatte ihr gerade noch gefehlt. Welches neueste Gerücht es wohl heute zu verbreiten galt? Das Rot ihres frisch gefärbten Bobs schmerzte in Celias Augen.
»Was soll ich gehört haben?« Celia bemühte sich um einen gelangweilten Tonfall.
»Ach, du weißt es noch nicht?« Jessicas Augen blitzten. »Dabei dürfte das dich doch am meisten interessieren.«
Celias Herzschlag beschleunigte sich unweigerlich. Ging es um Jan? Dabei wusste doch niemand von ihnen beiden … Oder hatte Jessica etwas herausgefunden? Was war mit Jan?
Jessica strich sich über das Haar, das ohnehin wie festbetoniert um ihren Kopf lag. Mit gesenkter Stimme sagte sie endlich: »Man hat angeblich seine Leiche gefunden.«
»Wessen Leiche?«, fragte Celia und hörte selbst, wie ihre Stimme versagte. Ihr Magen verkrampfte sich, als würde er sich ballen wie eine Faust, ihre Knie knickten ein. Zum zweiten Mal schlug sie mit der Hand gegen die Arbeitsplatte. Gerade rechtzeitig hielt sie sich noch fest, bevor ihre Beine endgültig den Dienst versagten.
»Na, wessen Leiche wohl? Jans natürlich«, antwortete Jessica mit schlecht gespielter Betrübnis. »Alles okay, Celi?«
»Ja … äh … ja«, stammelte Celia und versuchte, die Beherrschung zurückzuerlangen. Was Jessica durch die Gegend posaunte, hatte keinen Anspruch auf Wahrheit. Es musste nichts dran sein an dieser neuen Sensationsnachricht. Ruhig, Celia. »Wie kommst du darauf?«, fragte sie.
»Ach, du weißt doch, wie das ist«, antwortete Jessica und musterte sie prüfend. »Hört man eben so. Ich hab’s ja gestern schon vermutet, nachdem die Kripo bei Sascha war, aber …«
In Celias Ohren summte es. Sie musste herausfinden, ob das stimmte, und zwar sofort. Mit endlich wieder sicheren Beinen eilte sie zur Tür.
»Hey, dein Latte macchiato!«, rief ihr Jessica nach.
»Kannst du nehmen!« Mist, ihre Stimme zitterte immer noch. »Und daran ersticken«, setzte sie flüsternd hinzu, bevor sie tief durchatmete und entschlossen an Simone Geiers Tür klopfte. Ohne deren »Herein« abzuwarten, öffnete sie die Tür – und erschrak, als sie Leos wie poliert glänzenden Glatzkopf sah, der sich wohl gerade noch zusammen mit Simones über die am Besprechungstisch ausgebreiteten Unterlagen gebeugt hatte. »Sorry, ich –«
»Schon gut«, antwortete Simone, die ihr Stocken offensichtlich missinterpretiert hatte, und lächelte ihr freundlich entgegen. Ihre durch die dicke Brille unvorteilhaft
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