Donaugrund (German Edition)
verlässt, Sarah? Nachdem du seinetwegen dieses Wahnsinnsangebot sausen lässt? Unweigerlich seufzte ich, was Raphael offensichtlich als Leidenschaft missdeutete: Er legte die Pizzakartons auf dem Sideboard ab und zog mich enger an sich, ohne seine Lippen von meinen zu lösen. Wenigstens waren nicht nur meine Hormone derzeit schwer kontrollierbar.
Sachte klopfte ich ihm auf die Finger, die sich auf Wanderschaft unter das Badetuch begaben. »Die Pizza wird kalt«, flüsterte ich an seinen Lippen.
»Dafür wird der Wein warm«, flüsterte er unbeeindruckt zurück und küsste mich wieder. Warum nur musste sich das so verdammt richtig anfühlen?
Später, bei kalter Pizza und lauwarmem Wein, sprang Raphael plötzlich aus dem Bett. »Fast hätt ich’s vergessen«, sagte er und war schon durch die Schlafzimmertür nach draußen verschwunden.
Er kehrte mit seinem Rucksack, den er zuvor achtlos auf den Flurboden geworfen hatte, zurück und schnaubte. Auch er beherrschte die Walross-Nummer. »Ich hab heute mein Willkommensprodukt bekommen. Das ist wirklich eine Frechheit.« Er zog den Reißverschluss seines Rucksacks auf, griff hinein, zerrte eine kleine Plastikpackung hervor und warf sie mir zu. »Wie soll ich das denn bitte schön testen? Aber vielleicht kannst du sie ja gebrauchen.«
Entgeistert starrte ich auf den Schriftzug. »Tena Lady«, las ich laut. »Raphael, das sind Inkontinenzeinlagen!«
»Ach so, ich dachte …« Er warf einen prüfenden Blick auf die Verpackung. Dann nahm er mir das Päckchen wieder ab und stopfte es zurück in den Rucksack. »Na gut. Dann bringen wir sie eben morgen Herbert mit.«
FÜNF
Wahlners Bürokram hatte unser Büro in eine Art Labyrinth verwandelt. Über die Packkisten hinweg sah Herbert mich missmutig an. »Sonst noch was?«
Zum Glück organisierte Raphael gerade Kaffee, sodass ihm Herberts wenig begeisterter Kommentar auf die Bitte, Dirk Hansens Alibi abzuklären, entging. Fehlte noch, dass er in seiner Einschätzung bestärkt wurde.
»Ach, Herbert …« Ich warf ihm einen flehenden Blick zu, und er seufzte schicksalsergeben. Während ich noch grübelte, wie man einen Hauch seiner früheren Begeisterung für die Arbeit wiedererwecken konnte, erschien Raphael im Türrahmen und winkte mich mit einer Kopfbewegung nach draußen. »Der Schneck hat nach uns gepfiffen.«
Das musste ja irgendwann kommen. Wenn er bloß nichts über das LKA sagte! Mühsam unterdrückte ich meine Panik und stolperte Sekunden später hinter Raphael in Schneckmayrs Büro.
»Frau Sonnenberg, Herr Jordan, ich möchte mit Ihnen über den Fall Wahlner sprechen«, eröffnete er förmlich das Gespräch und deutete auffordernd auf die Besucherstühle. »Nach Sichtung der Fakten bin ich nicht davon überzeugt, dass es hier einen zwingenden Grund zur umfangreichen Ermittlung gibt, weshalb –«
»Spinn ich?«, fiel Raphael ihm ins Wort, und ich trat ihm instinktiv vors Schienbein. Er hatte sich in der Vergangenheit nicht erst einmal in die Nesseln gesetzt, weil er seine Klappe zu weit aufgerissen hatte. Leider ließ Raphael sich wie üblich nicht beirren. »Wahlner war kurz vor seinem Tod in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt. Und es gibt keine Indizien für einen Unfall oder Selbstmord. Das reicht nicht?«
Erstaunlicherweise reagierte Schneckmayr mit einem nachsichtigen Lächeln. »Wenn Sie mich ausreden lassen würden, wüssten Sie schon, worauf ich hinauswill. Sie haben recht, es gibt keine Indizien für einen Unfall oder Selbstmord. Es gibt aber auch keine dagegen – die Tätlichkeit gegen Wahlner muss nichts mit seinem Sturz in die Donau zu tun haben.«
Raphael presste die Zähne aufeinander. Immerhin hielt er so wenigstens die Klappe.
»Natürlich müssen wir dem nachgehen, aber große Bedeutsamkeit möchte ich diesem Fall nicht beimessen, zumal sich die Presse recht ruhig verhält«, dozierte Schneck weiter. »Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so.«
Prompt beendete Raphael die Überbelastung seiner Zähne. »Die Presse also«, warf er ein.
»Eindeutig überführende Beweise sind aufgrund des Zustands der Leiche und der Zeit, die zwischenzeitlich vergangen ist, wohl kaum mehr zu finden«, fuhr Schneck ungebremst fort.
Zu meinem Bedauern hatte er damit wohl leider recht.
»Und dass mit Herrn Lochbihler, Herrn Hoffmann und Ihnen beiden insgesamt vier Ermittler beschäftigt sind, ist natürlich auch nur im Moment möglich, nachdem es tatsächlich gerade sehr ruhig ist. Solange
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