Donaugrund (German Edition)
noch mal langsam für die begriffsstutzigen Schwulen unter uns«, sagte Hannes und klang immer noch erschüttert.
»Ich habe ein Wahnsinnsjobangebot bekommen«, erklärte ich heute nicht zum ersten Mal. »Landeskriminalamt, Organisierte Kriminalität. Als rechte Hand vom Oberboss, klingt richtig gut. Nein, klingt sogar absolut spektakulär.«
»Aber?«, fragte Hannes.
»Ich müsste dafür nach München ziehen.«
»Scheiße«, fasste Hannes treffend zusammen.
Damit hatte er recht, aber ich atmete trotzdem auf. Endlich jemand, der das Dilemma nachvollziehen konnte! »Allerdings, ja«, pflichtete ich ihm bei. »Ich meine, natürlich ist München nicht aus der Welt. Aber zum Pendeln ist es trotzdem zu weit.«
»Du wärst dann nur noch an den Wochenenden hier?«, fragte Hannes und sprach damit einen weiteren wunden Punkt an.
»Nein«, antwortete ich deprimiert. »Meistens wohl nicht. Da sich die Organisierte Kriminalität selten übers Wochenende freinimmt, gilt das auch für mich, falls ich diesen Job annehme.«
»Scheiße.« Hannes war auch schon mal eloquenter gewesen. »Das heißt also, du wärst nur dann in Regensburg, wenn hier gerade alle in der Arbeit sind.«
»Du hast es erfasst.«
»Was sagt Raphael dazu?«, fragte Hannes und spürte somit zielsicher das nächste Problem auf.
»Er weiß es noch nicht«, gestand ich, nur um mich im nächsten Moment zu rechtfertigen: »Aber Hannes, was soll ich ihm denn sagen? ›Hallo, Raphael, ich überlege, nach München zu gehen, und so, wie’s aussieht, können wir dann auch gleich Schluss machen.‹ Und falls ich dann doch hierbleibe, habe ich uns einen Riesenstress gemacht – für nichts und wieder nichts.«
»Ja«, antwortete Hannes zögerlich. »Stimmt schon. Aber weshalb fragst du ihn nicht, ob er mitkommen will?«
»Weil er genau von dort herkommt. Schon vergessen? Weil er München unbedingt hinter sich lassen wollte, um endlich über die Sache mit Isa und dem Baby hinwegzukommen. Weil er dorthin also garantiert nicht zurückwill«, erklärte ich. »Und selbst wenn: Er ist noch nicht mal ein Jahr hier! Die halten ihn doch langsam für vollkommen durchgedreht, wenn er schon wieder einen Versetzungsantrag stellt.«
»Mhm«, machte Hannes zustimmend. Wenn auch nicht gerade hilfreich.
»Und außerdem«, fuhr ich unsicher fort, »sind wir einfach noch nicht so weit. Wir sind erst seit zwei Monaten zusammen, da kann man doch nicht miteinander in eine andere Stadt ziehen!«
»Das sehe ich aber anders, Schätzchen. Immerhin arbeitet ihr schon viel länger als zwei Monate zusammen, seht euch jeden Tag, und eure Unterhaltungen tendieren ohnehin schon lange in Richtung altes Ehepaar«, wandte er ein. »Hoffentlich der Sex nicht«, fügte er noch leise hinzu.
»Du kannst völlig beruhigt sein«, antwortete ich. »Aber nein, ein gemeinsamer Umzug nach München ist ausgeschlossen, wirklich. Wir sind ja noch nicht einmal im ›Ich-hab-deinen-Wohnungsschlüssel-und-latsch-einfach-mal-so-rein-Stadium‹.« Ich verschwieg, dass ich von Raphael immerhin bereits zum offiziellen Pfötchengeben bei Mama und Papa Jordan eingeplant worden war. Das wäre nur Wasser auf Hannes’ Mühlen, würde an meiner Meinung aber nichts ändern. »Außerdem wäre mir das nach so kurzer Zeit ohnehin zu riskant«, fügte ich stattdessen bekräftigend hinzu.
Hannes kapierte anscheinend, dass es mir mit dieser Ansage ernst war. »Aber Fernbeziehungen haben auch viele Vorteile, Schätzchen«, änderte er erstaunlich flexibel den Kurs. »Das solltest du nicht vergessen.«
»Aha. Und welche?«
»Also, zum Beispiel …«, begann er zögerlich. Es folgte Stille.
»Ja, du hast recht. Das klingt wirklich unschlagbar.« Ich schnaubte, aber nicht mal der Gedanke an das NDR -Walross, der sofort aufblitzte, konnte mich aufheitern. »Wie ich es auch drehe und wende: Falls ich den Job annehme, ist die Sache mit Raphael auf Dauer allein schon wegen der Distanz zum Scheitern verurteilt. Die sich ja im Übrigen auch nicht verringern wird – ich glaube nicht, dass man ausgerechnet meinetwegen das Bayerische Landeskriminalamt in absehbarer Zeit nach Regensburg verfrachtet.«
»Eher nicht«, stimmte Hannes zu.
Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen, und plötzlich holte mich der Gedanke ein, wie ich mich dort überhaupt fühlen würde. So ganz allein in einer Stadt, mit der mich nichts verband – wollte ich das?
»Mal abgesehen von Raphael«, sagte Hannes prompt. »Kannst du dir vorstellen, dein
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