Donaugrund (German Edition)
nichts anderes anliegt, machen Sie weiter – aber sobald sich das ändert, ziehe ich Sie von dem Fall ab.« Schneck nickte bestimmt. »Das wollte ich Ihnen nur sagen.«
»Bleibt zu hoffen, dass wir das nächste Mal wieder eine gefesselte Leiche mit Loch im Kopf haben«, erwiderte Raphael bitter. »Dann ist das mit der Bedeutsamkeit wenigstens klar.«
Schneckmayr wollte etwas erwidern, aber Raphael winkte ab und sprach weiter. »Na egal, passt schon. Aber nachdem wir ohnehin schon beim Thema Presse waren: Spätestens heute sollte sich bei HEUREKA herumsprechen, dass es eine Auseinandersetzung gegeben hat. Ich lasse den Zeugenaufruf in der Zeitung dann also morgen schalten, okay?«
Schneckmayr nickte bedächtig. »Aber kein Wort an die Presse von Ihren Spekulationen, klar? Datum, Uhrzeit und die Frage, ob jemand den Mann in der Nähe der Steinernen Brücke gesehen hat. Mehr nicht. Wir wollen die Öffentlichkeit nicht doch noch aufscheuchen.«
Es war Raphael anzusehen, dass das nicht seinen Plänen entsprach. In einer Geste der Verzweiflung fuhr er sich durch das ohnehin ziemlich nachlässig zusammengebundene Haar und presste die vollen Lippen aufeinander. Wie üblich prallten hier zwei Welten aufeinander: Schneck, dem die öffentliche Meinung und die offizielle Erfolgsquote am Herzen lag, Raphael, der nichts mehr wollte, als den aktuellen Fall schnell, sauber und mit allen verfügbaren Mitteln aufzuklären. Und grundlegend den Kürzeren zog, sobald seine Interessen mit denen Schneckmayrs kollidierten. Und ich stand wie immer dazwischen, verstand beide, wollte Raphael nicht wütend sehen, aber auch Schneck nicht gegen uns aufbringen … Ich hasste das.
Schließlich nickte Raphael resigniert und erhob sich aus dem Stuhl.
»Das war dann alles«, stellte Schneck mit Verspätung fest. »Sie beide machen das schon«, fügte er noch versöhnlich hinzu, erntete von Raphael aber nur einen vernichtenden Blick. »Und wenn Sie bitte noch einen Moment bleiben würden, Frau Sonnenberg?«
Raphael sah erstaunt von Schneck zu mir, verließ dann aber stillschweigend das Büro.
»Haben Sie sich schon entschieden?«, fragte Schneck, sobald Raphael die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Nein«, antwortete ich zerknirscht. »Kann ich noch ein paar Tage Zeit haben?«
Er nickte zögerlich. »Aber Sie sollten nicht zu lange warten. Schließlich geht es um Ihre Zukunft.«
Genau deswegen wartete ich ja. Wie gelähmt von der Tragweite meiner Entscheidung.
Schneck lächelte noch einmal wohlwollend, dann war ich endlich entlassen.
»Was wollte der Vollpfosten denn noch?«, fragte Raphael, als ich an meinen Schreibtisch zurückkehrte.
Warum hatte ich Idiot die Zeit des Rückwegs nicht genutzt, um mir eine plausible Erklärung einfallen zu lassen? »Ich … äh …« Endlich ereilte mich ein Geistesblitz. »Nur wissen, wie Moritz sich so macht.«
»Und warum darf ich das nicht hören?«
Diese Frage war durchaus berechtigt. Mist. »Vielleicht hält er mich für objektiver? Nachdem du dir ja ausdrücklich Moritz zur Unterstützung gewünscht hast.« Erschüttert stellte ich fest, dass ich nach Jahren der Ermittlungsarbeit anscheinend jeden anlügen konnte, ohne rot zu werden.
Trotzdem sah er mich zweifelnd an, während Herbert in absoluter Gleichgültigkeit den vor ihm liegenden Ordner durchblätterte.
»Und jetzt?«, fragte ich eilig.
»Jetzt schnappen wir uns Moritz und heizen den HEUREKA -Fuzzis noch mal ordentlich ein. Und danach bewerbe ich mich mit diesem Fall bei ›Aktenzeichen XY‹ ungelöst«, erwiderte Raphael grimmig. »Wetten, dass die Bedeutsamkeit steigt, wenn die Öffentlichkeit plötzlich doch neugierig wird?«
»Vergiss nicht, mich im Fernsehen zu grüßen«, brummte Herbert hinter seinem Ordner hervor.
Zehn Minuten später war auch Moritz endlich eingetrudelt und hatte es sich auf der Rückbank des Dienstwagens bequem gemacht. Ich beobachtete ihn im Innenspiegel und hegte schon die Vermutung, er wäre eingeschlafen, als er sich plötzlich mit vor Begeisterung blitzenden Augen aufrichtete. »Hey, habt ihr euch das Video angesehen, das ich heute Morgen auf Facebook gepostet habe?«
Ein seltsamer Geruch kam nach vorn geweht. Ich schnupperte. Was war das?
»Klar«, antwortete Raphael, ohne mit der Wimper zu zucken. »Nice.«
»Mega«, fügte ich ungerührt hinzu.
»Ja, oder?« Zufrieden ließ er sich wieder in den Sitz zurücksinken.
Da roch es wieder … nach Schnaps? Ich warf Raphael einen fragenden
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