Donaugrund (German Edition)
eine Pause, sah wie gehetzt zur Wanduhr, entspannte sich dann aber wieder.
»Ich hingegen bin der Meinung, dass es für HEUREKA besser ist, sich nicht weiter zu vergrößern. Ich wollte lieber die problematischen Produkte nach und nach vom Markt nehmen und stattdessen mehr auf gute Online-Spiele setzen. Spiele funktionieren immer, Ideen sind auch vorhanden.« Er redete wie in einem Werbespot, als müsste er uns von seinen Plänen überzeugen. »Und Spiele sind zwar vielleicht nicht ganz so lukrativ wie Jans Ideen, bedeuten aber auch weitaus weniger Rechtskosten.«
»Und wären als Angebot auch irgendwie ehrlicher und sinnvoller, oder?«, sagte Raphael. Wahrscheinlich dachte er an seine Inkontinenzeinlagen, die nach einem bitterbösen Blick von Herbert schließlich im Papierkorb gelandet waren. Obwohl Raphael insistiert hatte, war Herbert nicht willens gewesen, ihm zu seinem ersten Pioniertaler zu verhelfen.
Hoyer hob in einer Sag-ich-doch-Geste der Zustimmung die Hände. »Ja, so sehe ich das auch.«
»Jetzt, wo Herr Wahlner tot ist, steht Ihren Plänen ja nichts mehr im Wege, Herr Hoyer«, sagte ich und ließ leise Süffisanz durchklingen.
»Was wollen Sie damit andeuten?« Wieder blitzte eine plötzliche Autorität durch, die man ihm ansonsten kaum zutraute.
»Sie wissen sicherlich mittlerweile, dass wir einen selbst verschuldeten Unfall so gut wie sicher ausschließen können. Und auch ein Raubüberfall mit Todesfolge ist eher unwahrscheinlich.«
Hoyer riss schockiert die Augen auf. Entweder er hatte tatsächlich noch nichts davon gehört, oder er war ein begnadeter Schauspieler. Im ersten Fall hätte Jessica Egerjahn kläglich versagt. Im zweiten Fall bestätigte das meine Meinung über die unergründliche Tiefe stiller Wasser. »Sie meinen«, sagte er, »Jan wurde wirklich umgebracht? Mit Absicht?«
»Ob es einen Vorsatz gab, ist natürlich nicht sicher. Aber es gibt zumindest Indizien, dass zwischen dem Handgemenge, von dem wir Ihnen ja schon erzählt haben, und Herrn Wahlners Sturz in die Donau nicht allzu viel Zeit vergangen ist. Und –«
»Aber«, fiel Hoyer mir ins Wort, »es gibt doch mittlerweile in Regensburg genug Verrückte, die grundlos auf irgendwelche unschuldigen Leute einprügeln! Und die sich dann sicher in ihrem Blutrausch auch nicht scheuen, jemanden ins Jenseits zu befördern.«
Damit hatte er recht, die Zahl solcher Übergriffe, gerade an den Wochenenden, wenn das Partyvolk die Stadt unsicher machte, hatte in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Trotzdem konnte ich diese Vermutung gleich wieder entkräften.
»Möglich, aber unwahrscheinlich, Herr Hoyer. Die Verletzungen Ihres Kompagnons sahen absolut nicht nach einem Blutrausch aus, nicht mal nach der Prügelei eines geübten Hobbyschlägers. Eher nach einer recht ungeschickten Affektreaktion. Und zudem hat Herr Wahlner nach den Handgreiflichkeiten nicht Hilfe gesucht oder blindlings die Flucht ergriffen, sondern in aller Seelenruhe seinen Anorak geschlossen, vielleicht sogar, um sein zerrissenes Hemd zu verbergen. Das könnte darauf hindeuten, dass er seinen Gegner kannte – und nicht für gefährlich hielt.« Ich zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, aber …«
»Sie vermuten den Schuldigen hier in der Firma«, schlussfolgerte Hoyer.
»Sie sagen es«, antwortete Raphael und musterte Hoyer durchdringend. »Wie sieht es zum Beispiel mit Ihnen selbst aus, Herr Hoyer? Ihre unterschiedlichen Pläne wären durchaus ein Motiv. Und was man so hört, haben Sie sich bis dato nie so richtig gegen das Opfer durchsetzen können, wenn es um weitreichende Entscheidungen ging. Haben Sie also dieses Mal versucht, auf andere Art und Weise zum Zuge zu kommen?« Raphael sah Hoyer herausfordernd an.
Hoyer blickte erst ungläubig von Raphael zu mir und nestelte dann schon wieder nervös an seiner Brille herum. »Bin ich etwa verdächtig? Dann möchte ich meinen Anwalt anrufen.« Seine Stimme klang tonlos. Wir hatten ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt.
»Das ist natürlich Ihr gutes Recht, aber im Moment ist noch fast jeder verdächtig. Ob Sie an dieser Stelle schon einen Anwalt brauchen, hängt von Ihrer Antwort ab«, antwortete ich.
Er musterte uns nachdenklich, obwohl sein Adamsapfel immer noch aufgeregt auf und ab hüpfte. Nach ein paar Sekunden entspannten sich seine Züge jedoch wieder. Anscheinend war er zu dem Entschluss gekommen, dass er es mit einigermaßen fairen Gesprächspartnern zu tun hatte.
»Ich bin kein Mörder.
Weitere Kostenlose Bücher