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Donner: Die Chroniken von Hara 3

Donner: Die Chroniken von Hara 3

Titel: Donner: Die Chroniken von Hara 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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dabei wohl vergessen, was die Gabe eines Heilers vermag. Nur ihretwegen, nur weil Shen über diesen Aspekt der Gabe verfügt, hat sich mein Funken im Nu verändert. Ehe wir selbst dessen überhaupt gewahr wurden.«
    Ich hüllte mich in Schweigen. Diese beiden dummen Kinder – die da ein tödliches Spielzeug in die Hand genommen hatten …
    »Shens Kraft ist einmalig und ausgesprochen vielgestaltig. Obendrein ist sie wesentlich stärker als die gewöhnlicher Schreitender.«
    »Warum bringst du dann Zauber zustande, an denen er scheitert?«
    »Ich weiß nicht, woran das liegt«, gestand sie und fuhr mit der Hand über die raue Rinde eines Baumes. »Aber dieses Geflecht eben stellte wirklich keine Herausforderung für mich dar.«
    »Aber dir ist klar, dass du dich bei den Schreitenden mit deinem neuen Funken zur Ausgestoßenen machst? Sie werden dich töten, wenn sie verstehen, dass er nicht mehr rein licht ist. Und Shen übrigens auch.«
    Ihr entglitten die Gesichtszüge, Tränen traten ihr in die Augen.
    »Ja«, hauchte sie. »Aber Meloth ist mein Zeuge, dass ich das nicht wollte.«
    Sie drehte das Gesicht zur Seite, um sich verstohlen die Tränen abzuwischen.
    »Lass uns zum Lagerfeuer zurückkehren«, schlug ich vor. »Hier ist es kalt.«
    »Geh schon vor«, erwiderte sie. »Ich komme gleich nach. Ich möchte noch sehen, ob Shen diesen Zauber wirken kann.«
    »Weißt du inzwischen, ob du dich weiter aus dem Sumpf herausarbeiten wirst?«
    »Das werde ich wohl müssen, schließlich will ich nicht untergehen«, antwortete sie. »Deshalb werde ich lernen, mit meinem neuen Funken zu leben.«
    »Das heißt, Shen soll dich weiter ausbilden?«
    »Ja.«
    Ohne noch ein Wort zu sagen, ging ich davon.
    »Ness!«, rief mir Rona nach, und ich blieb stehen. »Ich wollte dir noch danken. Dafür, dass du mich in jener Nacht gerettet hast. Ich …« Sie verstummte, setzte dann aber tapfer neu an. »Ich wäre damals am liebsten gestorben. Wie kostbar das Leben ist, das habe ich erst begriffen, als ich wieder gesund war. Deshalb bin ich dir sehr dankbar, dass ihr mich mitgenommen habt und …«
    »Halt!«, schrie Typhus und fuchtelte mit den Armen. »Hör sofort damit auf!«
    Shen hatte seinen Zauber endlich gewirkt – und der Wald am Westhang des Nachbarberges verwandelte sich in eine graue Düne.
    »Warum vergeudest du so viel Kraft an ein paar lächerliche Bäume?!«, wetterte sie. »Was hast du dir dabei nun schon wieder gedacht?«
    »Aber du wolltest doch …«
    »Du hast Ronas Geflecht als Grundlage genutzt, aber damit einen ganz anderen Zauber gewirkt. Indem du wieder etwas aus eigenem Antrieb in das Geflecht eingewoben hast. Wer hat dir beigebracht, die Kraftströme in dieser Weise einzusetzen?«
    »Lahen.«
    »Und dahinter steckt Ghinorha … Zeig mir das Geflecht noch mal, aber langsam. Und richte diesen Zauber ja nicht auf irgendein Ziel!«
    Typhus und Rona beobachteten genau, was Shen tat.
    »Gut, das reicht für heute«, entschied Typhus. »Du erinnerst dich inzwischen nicht zufällig daran, wie du die Wegblüte geweckt hast?«
    »Nein.«
    Typhus fluchte leise, bedachte Soritha mit verschiedenen unschönen Worten und sparte auch nicht mit spitzen Bemerkungen, die sie auf alle Hohlköpfe mit löchrigem Gedächtnis münzte. Letztere überhörte Shen geflissentlich.
    »Wie war Soritha eigentlich?«, fragte Rona nach dieser Tirade.
    »Mit Sicherheit nicht so helllicht, wie der Turm sie gern hinstellt«, antwortete Typhus. »Aber in der untersten Klasse setzen sie euch ja allerlei Flausen in den Kopf. Da dürft ihr die
Taten der frommen und wohlwollenden Soritha
auswendig lernen, nicht wahr? In Wahrheit liebte sie jedoch nur zwei Dinge: ihre Schneeglöckchen und die Macht. Falls sie sich je dazu durchgerungen hätte, den Weg zu gehen, den wir, die ihr nur die
Verdammten
nennt, gewählt haben – sie hätte uns mit Sicherheit in den Schatten gestellt. Deshalb kann die Welt von Glück sagen, dass sie nicht unsere Seite gewählt hat.«
    »Die Welt vielleicht – ihr aber nicht.«
    »Da bin ich mir nicht sicher«, erklärte Typhus, nachdem sie kurz über diese Bemerkung nachgedacht hatte. »Wie auch immer, sie befindet sich heute genau an dem Platz, der ihr gebührt: im Grab. Und welchen Lauf die Geschichte genommen hätte, wenn sie unsere Seite gewählt hätte, das lässt sich überhaupt nicht sagen.«
    »Dann bedauerst du also nicht, dass du sie getötet hast?«
    »Ich bedauere ohnehin höchst selten etwas«, entgegnete Typhus.

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