Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Brandy brannte auf Herricks vom Salz aufgesprungenen Lippen. Es waren zwar mehrere Briggs in diesem Seegebiet gemeldet, doch insgeheim wußte er, wer da alle Vorsicht in den Wind geschlagen hatte, um ihn zu warnen.
    »Beim ersten Tageslicht greifen wir an«, sagte er langsam und eindringlich – wie ein Versprechen.
    Bolitho zog den Kopf zwischen zwei Decksbalken ein. Das Orlop wirkte mit seinen kreisenden Laternen und tanzenden Schatten nach den langen, offenen Batteriedecks über ihm fast menschenleer. Tusons Assistent umstand mit seinen Gehilfen den improvisierten Tisch, auf dem der Arzt bald seine blutige Arbeit verrichten würde. Frisch geschrubbte Bottiche für die amputierten Gliedmaßen mahnten grimmig an das ihnen allen Bevorstehende.
    Carcaud überprüfte seine Instrumente, die im Licht der schwankenden Laternen matt blitzten. Wie die meisten Männer, denen Bolitho auf seinem rastlosen Inspektionsgang begegnet war, wich auch er seinem Blick aus. Sie schienen sich in seiner Gegenwart unsicher zu fühlen und sahen ihn lieber bei seinen Offizieren auf dem Achterdeck.
    An der Tür zum Krankenrevier blieb Bolitho stehen und wartete, bis Tuson von seinen Vorbereitungen aufsah. Es roch nach Verbänden und peinlicher Sauberkeit. Der im Augenblick einzige Patient lugte aus seiner Koje: Midshipman Estridge machte sich trotz seines Beinbruchs nützlich; Tuson ließ ihn im Liegen Binden wickeln.
    Bolitho nickte ihm zu und sagte dann zum Arzt: »In einer Stunde wird es hell.«
    Tuson musterte ihn freudlos. »Wie geht's dem Auge, Sir?« Bolitho zuckte die Achseln. »Es war schon schlechter.«
    Für die seltsame Tatsache, daß ihn Gefahr und Tod diesmal völlig kalt ließen, fand er keine Erklärung. Er war auf jedem Deck gewesen und hatte sich allen gezeigt. Wenigstens hier unten, in diesem Raum, den er sonst so fürchtete, hatte er erwartet, Angst zu verspüren. Doch er empfand nur Erleichterung. Wann war er jemals vor einem Gefecht so gleichgültig gewesen? Oder hatte er schon resigniert?
    Tuson schaute zur niedrigen Decke auf, die fast sein weißes Haar streifte. »Das Schiff ist so leise.«
    Bolitho wußte, was er meinte. Normalerweise verteilten sich die Geräusche der Männer bei ihrer Arbeit, beim Essen und dem täglichen Dienst über das ganze Schiff. Doch seit sie klar zum Gefecht gemacht hatten, kamen alle Geräusche von oben, konzentrierten sich um die Geschütze hinter den noch verschlossenen Stückpforten. Bald würden die Rohre so heiß sein, daß kein Mann es mehr wagen konnte, sie mit bloßen Händen zu berühren.
    Die Geräusche von Wind und See klangen hier unten erstickt. Das Schwappen des Bilgenwassers, das gelegentliche Knarren einer Pumpe wirkten gespenstisch. Und seit Einbruch der Dunkelheit war auch der ferne Kanonendonner verstummt. Bolitho kam es vor, als wären sie allein.
    Tuson beobachtete ihn. Ihm war bereits aufgefallen, daß Bolitho ein frisches Hemd und Halstuch angelegt hatte und am Uniformrock die glitzernden Epauletten mit den beiden silbernen Sternen trug. Er sann darüber nach. War es Bolitho denn gleichgültig, daß er ein auffallendes Ziel bot? Wollte er sterben? Oder sorgte er sich so, daß ihm seine eigene Sicherheit nebensächlich vorkam? Er war barhäuptig, sein schwarzes Haar glänzte im zuckenden Lampenschein, und nur die eine Locke, die, wie Tuson besser als jeder andere wußte, eine gräßliche Narbe verbarg, begann zu ergrauen. An Deck würde Allday ihm dann Hut und Degen reichen. Diese stumme kleine Zeremonie war im Geschwader schon fast zur Legende geworden.
    »Ich habe Kapitän Inch nach vorn verlegt, Sir«, sagte Tuson. »Dort ist es zwar nicht so bequem –«, kurz musterte er den leeren Operationstisch, um den seine Leute standen oder saßen wie Aasvögel, »aber er ist da besser aufgehoben.«
    Die weißen Beine eines Fähnrichs erschienen auf der Leiter. »Empfehlung von Kapitän Keen, Sir Richard, und …«
    Bolitho nickte. Das war der kleine Hickling, der ihm, wenngleich ahnungslos, geholfen hatte, Zenoria in Malta vom Schiff zu schmuggeln. »Danke, ich komme.« Er warf dem Arzt einen langen Blick zu. Erst später fiel Tuson auf, daß er in Bolithos Augen keinen Makel gesehen hatte.
    »Kümmern Sie sich gut um die Leute.«
    Tuson sah ihm nach. »Denken Sie lieber an sich selber«, murmelte er.
    Gefolgt von einem schnaufenden Hickling, erklomm Bolitho eine Leiter nach der anderen, bis er auf dem Achterdeck stand. Es war noch dunkel, nur vereinzelte Schaumkronen

Weitere Kostenlose Bücher