Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donner unter der Kimm

Donner unter der Kimm

Titel: Donner unter der Kimm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
hatte.
    Keen starrte mit geröteten Augen nach vorn, und Bolitho fiel ein, daß er seit dem Aufkommen des Sturms das Deck praktisch nicht verlassen hatte.
    »Ein seltsamer Tag.« Bolitho lächelte. »Grell und hart wie eine Hafenhure.«
    Keen mußte trotz seiner Sorgen lachen. Eigentlich wollte er Bolitho raten, die Suche aufzugeben, denn sie war seiner Ansicht nach schon zu Ende gewesen, ehe sie begonnen hatte. Selbst wenn er Joberts Absichten richtig eingeschätzt hatte, was aber mit jeder qualvollen Meile unwahrscheinlicher schien, würden sie ihn jetzt nicht mehr finden.
    Keen wagte nicht an Bolithos Karriere zu denken, wenn das erst herauskam. Es hieß, daß Nelson sich nur mit Glück behauptet hatte – aber Glück war selten.
    Bolitho merkte, daß Keen ihn beobachtete, und konnte sich seine Gedanken vorstellen. Er schaute zum kalten Himmel auf und dachte an Falmouth. Vielleicht hatte Belinda seinen Brief inzwischen erhalten oder über seine Verwundung von anderen erfahren. Er dachte auch an das Mädchen mit dem verhangenen Blick und lächelte. Tapfere Zenoria hatte er sie genannt. In dieser Serie von Belastungsproben und Fehlschlägen war sie der einzige Lichtblick.
    Keen sah ihn lächeln und wunderte sich. Wie hielt er das nur durch? Er war fanatisch, unbeirrbar, aber das würde ihn auch nicht vorm Kriegsgericht retten.
    »Wie geht's dem Jungen? Es war Midshipman Estridge, nicht wahr?«
    »Ein glatter Bruch, Sir. Die anderen Verletzten machen Tuson mehr Kummer.«
    An einem Neunpfünder arbeitete ein Seemann, der Bolitho schon aufgefallen war. Er war bis zur Taille nackt, aber nicht aus Angabe, sondern um seine Kleider trocken zu halten. Sein Rücken war von den Schultern bis zum Gürtel mit Narben bedeckt, die den Spuren einer riesigen Kralle glichen. Der Anblick erinnerte Bolitho an Zenoria und das Schicksal, vor dem Keen sie bewahrt hatte.
    Doch als Keen jetzt lachte, drehte sich der Matrose um und schaute ihn an. Bolitho hatte kaum jemals einen so haßerfüllten Blick gesehen.
    Auch Keen bemerkte ihn und sagte zornig: »Vor jeder Auspeitschung lese ich die Kriegsartikel vor. Verfaßt habe ich die verdammten Paragraphen aber nicht!«
    Bolitho fiel erst jetzt auf, daß an den Niedergängen Seesoldaten postiert waren. Keen ging kein Risiko ein. Es war besser, Zwischenfällen vorzubeugen, statt sie zu ahnden.
    »Ich gehe nach unten«, sagte Bolitho fest. »Wenn ich mich geirrt habe …« Er zuckte die Achseln. »Dann werden sich manche die Hände reiben. Hoffentlich lassen sie wenigstens meine Familie in Frieden.«
    Keen sah ihn mit langen Schritten auf die Leiter zugehen und spürte das Mitleid wie einen Stich, als Bolitho sich an einer Klampe des Besanmastes den Arm stieß.
    Paget trat leise neben ihn. »Darf ich fragen, wie Sie unsere Chancen einschätzen, Sir?«
    Keen warf ihm einen Blick zu. »Fragen Sie mich das, wenn wir Jobert auf eine Leeküste getrieben haben.«
    Beide fuhren herum, als sie unter der Kimm ein Donnergrollen hörten. »Doch nicht auch noch ein Gewitter?« rief Paget ängstlich.
    Keen schaute an ihm vorbei. Bolitho, der jetzt seinen alten Degen trug, kehrte aufs Poopdeck zurück, gefolgt von Allday. Er schaute sie an. »Diesmal ist es kein Donner.«
    Der Ausguck rief ungläubig: »Kanonenfeuer, Sir! Im Süden!«
    Keen starrte ihn an. Wie hatte er das vorhergesehen? Noch vor wenigen Augenblicken mußte er sich geschlagen gefühlt haben. Nun wirkte er sonderbar gelassen. Seine Stimme klang gleichmütig, als er sagte: »Signal ans Geschwader, Mr. Sheaffe: Mehr Segel setzen.«
    Die Flaggen wurden hastig hochgezogen, und Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken, damit sie nicht zitterten.
    »Bestätigt, Sir!« Stayt erschien lautlos wie eine Katze.
    Das ferne Grummeln rollte übers Wasser heran, seine Ursache lag aber noch weit hinterm Horizont. »Ins Gefecht kommen wir erst morgen vor Sonnenaufgang«, sagte Bolitho. Dabei mußte er einkalkulieren, daß der Sturm die Schiffe nach Einbruch der Dunkelheit zerstreute.
Benbow
konnte es leicht mit nordafrikanischen Freibeutern oder Korsaren aufnehmen, hatte aber gegen Joberts Geschwader keine Chance. Er neigte den Kopf, als es wieder donnerte. Nur wenige Schiffe, vielleicht zwei. Was konnte das bedeuten?
    »Signal ans Geschwader: Klar zum Gefecht. Die Männer sollen heute nacht bei ihren Kanonen schlafen.«
    Als er den Knauf des alten Degens berührte, durchlief ihn ein Schauer. Es kam ihm wie gestern vor, daß er mit Adam in Portsmouth

Weitere Kostenlose Bücher